406
Die östreichischen Volkswünfche.
Wenn wir die schwierige Aufgabe zn lösen versuchen, über die Stimmen unserer Völker uns ein deutliches Bild zu entwerfen, so wissen wir einerseits recht wohl die Umstände zu erwägen, unter denen diese Stimmen sich kundthun, andererseits aber müssen wir gleich von vornherein auf die Pflicht aufmerksam machen, welche dem Politiker befiehlt, selbst die verkümmerten oder sogar verfälschten Darstellungen der Volkswünsche nebe» einander in einer wo möglich unbefangenen Weise zu prüfen und in einem unbefangeueu Organe ausznsprechen. Die östreichischen Nationen sind gerade jetzt unter den die Gewalt unterdrückenden Gewaltmaßregeln in das schlimme Stadium der Uebertreibungen von beiden Seiten getreten und wir müssen daher um so mehr besorgt sein, nicht etwa blos, daß unsere Stimme verhalle, sondern daß während wir die Feder sichren, jene gegenseitigen Ueberspannnngen selbst den Schauplatz wesentlich werden verändert haben, indem sie die Gegenkräfte zu außerordentlichen, unnatürlichen (um mich dieses Ausdruckes zn bedienen) Anstrengungen Potenziren. Die ersten Blicke schon auf die verschiedenen Nationen, welche unn der Reihe nach thätig und zwar meist mit selbstständiger Erhebung in die Verwirrungen eingeschritten sind, müssen uns auf die mehrfachen Nichtuugeu aufmerksam machen, die in Oestreich sich offenbar- ten, im Gegensatze zu anderen mächtigen Revolutionen, in denen meist nur die zwei Gegenparteien in den Vordergrund traten, um welche sich dann die einzelnen kleineren Interessen grnppirten, um ans Sympathie oder Antipathie, oder aber aus eigenem wohlerwogenen Vortheile an deni Kampfe mit einem gewissen Nachdrucke sich zu betheiligcn.
Wenn wir nämlich auch die Prager, Krakauer uud sogar die Lembergcr Katastrophe in ihrem isolirten uud raschen Verlauf nicht in Betracht ziehen, so müssen wir der magyarischen noch in blntiger Entwicklung begriffene» riesenhaften Empörung eine ganz andere großartige positive Tendenz zugestehen, als wir sie in dem serbischen und kroatischen Widerstande und in der trotzigen Stellung der sieben- bürger Sachsen erkennen; wir müssen ferner dem italienischen Kriege eine mit vollem Bewußtseiu und mit sorgfältiger Vorbereitung zahlreicher und gefüllter Hilfsquellen znr Vernichtung der östreichischen Großmacht abzielende Planmäßigkeit einräumen, welche weder der stolzen ungarischen Rücksichtslosigkeit, noch der Wiener kurzsichtigen Begeisterung zu Grunde lag. Und in diesen sich kreuzenden Nichtuugeu eilt der Deutsche Tirols in deu Kampf für die Krone, während alle audercn Provinzen nur mit unsicherem Urtheile, gewiß aber ohne warme Theilnahme demselben italienischen Kampfe zuschaue»; der Czeche aber sammelt auf eigene