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Leopold Ranke.
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wir hielten es für besser, von Unten anzufangen, erst Preußen nach der Idee der Demokratie zu reorganifiren, um dann, wenn alle einzelnen deutschen Staaten gleich frei wären, sie zu einem Bruderbünde zn vereinigen. Die Geschichte hat es anders gemacht. Niemand, kann größere Ehrfurcht haben als ich vor dem Geiste der deutschen Nation, wie er sich iu ihrem ersten Reichstag ausspricht; aber man kann auch nicht leugnen, daß trotz dieses schönen Anfangs vorläufig der deutsche Staat noch immer erst in der Idee besteht, daß man nicht einmal über seine Grenzen eine feste Vorstellung hat. So lange wäre es wohl bedenklich, wenn Preußen die Hände in den Schooß legte, in der Erwartung, daß übers Jahr Einer kommen würde, seine Rolle besser zu spielen. Der zweite Grund ist wesentlicher. In ganz Süddentschland ergossen sich die unsinnigsten Schmähungen über Preußen, noch dazn in einer Zeit, wo wir doch das Unsrige auch für die Freiheit gethan zn haben glaubten nach dem 19. März. Wenn ich Süddentsch­land sage, so nehme ich Oestreich auö; zwischen Oestreich und Preußen besteht zwar die natürliche Rivalität, die in der ganzen Geschichte begründet ist, aber der Oestreicher weiß, daß er einem großen Staatsleben angehört, nnd sein Gefühl gegeu Preußen hat nichts kleinliches. Man darf aber nur ein beliebiges Blatt z, B. der Mainzer Zeitung aufschlagen, nm zu begreife», daß uus endlich die Geduld reißen mußte. Wir wiesen diesen Prenßensressern die Zähne: waren wir darum undeutsch? Ich erinnere an ein bekanntes Beispiel. Als Arnold Rüge in den deutsch-französischen Jahrbüchern, in denen er die Ideen des Humanismus vertreten wollte, den deutschen Namen mit dem Prädicatniederträchtig" in Ver­bindung setzte, erhoben sich von Seiten der Deutschen die lebhaftesten Neclamationen. Wollte man damit die Principien des Humanismus verleugnen, wenn man sich jenen Ausdruck verbat? Rüge faßte es freilich so auf, aber er hatte ebenso un­recht, als die Süddeutsche», die es für eine undeutsche Gesinnung ausgeben, wenn man persönliche Injurien gegen Prenßen zurückweist.

Ich habe diese Bemerkungen an Ranke's neuestes Werk, das nun vollendet vor uns liegt, angeknüpft, weil jede historische Schrift, die ein Leben in der Li­teratur haben soll, ciue bestimmte Beziehung auf die Zeit haben muß, der es angehört. Die Idee von dem welthistorischen Beruf des preußischen Staates ist diese leitende Idee. Ranke schildert das Unwesen der Politik im 18. Jahrhun­dert. «Unter diesen Umständen," setzt er hinzu,muß es als ein Glück ange­sehen werden, daß es wenigstens Einen Staat gab, der wenn gleich einseitig doch eine eigne Sache verfocht, über unvergleichliche Streitkräste gebot, nnd nnr von sich selber Rath nahm. Denn wie uueutbehrlich auch die geordneten Formen einer allgemeinen Verfassung für eine große Nation sind, so beruht doch ihr Heil noch mehr auf dem lcdendigen und kraftvolle» Geiste, der die Mittel der Macht zu fin­den und glücklich zu gebrauchen versteht." Und dann am Schluß:Der conti- ncntale Protestantismus hatte einen Versuch gemacht, sich tu Schweden zn einer