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Hat Oestreich eine Zukunft? : Manifest an die Oestreicher.
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Nur auf das einfache, ephemere Fortbcstehen berechnet, ging er selber in dem geistlosen Geschäftsschlendrian auf; sein wesentliches Organ war die Polizei, die darauf zn sehen hatte, daß nichts geschehe, und das Militär, die Polizei zu stützen. Die nationalen Interessen der einzelnen Provinzen wandte man gegen einander, damit eine gemeinsame Arbeit der Freiheit unmöglich werde, die Grenzen schloß man hermetisch ab, nm kein Lüftchen fremder Bildung herüberwehen zu lassen, die Schulen richtete man zu einer Verdummungsanstalt ein, das Rechts­wesen und das Gemetndelebcn erstickte man in der trüben Atmosphäre dumpfer Stuben, in der Presse ließ man nur Zoten und Trivialitäten zu.

Und dieses Oestreich, welches die Kräfte feines eigenen Volkes anSsog, drückte zugleich mit seiner ganzen Wucht die freie Entwicklung Oestreichs und Italiens nieder, und eine große Zahl Oestreicher, wie sehr sie die Regierung haßten, waren

stolz daraus, durch sie den andern Völkern zu impouiren! ....... Ihr Brüder in

Oestreich, durchdringt Euch mit dem Gefühl, wie hohl das Gebäude sein mußte, welches auf Euern bloßen Wuusch am 14. März zusammenstürzte, greift in Euern Busen und fragt Ench selbst, ob Ihr ohne Schuld wäret an der Knechtschaft, die Euch zu Boden drückte!

Worin bestanden damals Eure Versuche, Euch dem harten Joch deö absoluten Regiments zu entziehn? Ich unterscheide drei Formen der Opposition: die stän­dische, die josephinische und die revolutionäre, In allen dreien war viel illusorisches Maskenspiel in den Ernst des Streites gemischt.

Die ständische Opposition suchte der Tyrannei des GesammtstaatS das ur­sprüngliche Leben der verschiedenen Provinzen uud Nationalitäten entgcgenznsühren. Sie ging von der Aristokratie aus: daS war ein Glück und ein Unglück. Ein Glück, denn in der Aristokratie war doch immer noch ein Rest politischer Bildung, während die andern Sphären des Lebens bis auf's Mark ausgesogen waren; ein Unglück, denn einerseits hatte die Aristokratie keinen Rückhalt im Volke, sie mußte vielmehr jeden Augenblick befürchten, von Seiten der Regierung galizische Scenen gegen sie hervorgerufen zn sehn; ihre Stellung dem Volte gegenüber war eben so unnatürlich und unsittlich, als die der Regierung zn ihren Unterthanen; andrer­seits hatte Oestreich, ganz im Gegensatz zu dem demokratischen Prenßen, die eigentliche Gewalt seiner Bureaukratie und seines Militärwesens ausschließlich dem höhern Adel vorbehalten, nnd der strebsame Edelmann konnte in jedem Fall darauf rechnen, seinen Ehrgeiz eher in dem ordentlichen Lauf des Staatswesens zn rcalisiren, als in dem hoffnungslosen Ankämpfen gegen die unerschütterliche Gewalt, vor der er schaudern, die er aber nicht meiden konnte. So war die Opposition, die sich an das alte Institut der Staude anklammerte, überall eitel und ohnmächtig, und die Negierung hatte leichtes Spiel, sie mit wegwerfender Verachtung zu beseitigen. Literarische Versuche, wie die bekannte Schrift des Baron Adrian, durch Wie­derherstellung der aristokratischen Verfassung zu regeneriren, blieben vereinzelt und