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uer, welche man als wahre Anhänger des Fortschritts, als Träger der Wissenschaft und freier, geistiger Richtung kannte, hatte man höchst künstlich von jeder integrireuden Thätigkeit, also von den Ausschüssen, entfernt zn halten gewußt und dafür nur Solche gewählt, deren Gesinnung und Stimmresultat man genau kannte. Es sprachen immer nur dieselben Redner und in jeder Frage, sei es über Zollgesetzgebung oder Volksbildung, Auswanderung oder Stcnerregulation, sprachen sie auch dieselbe» Worte — Worte — Worte! Ich wollte, Sie hätten der Merkwürdigkeit halber eine jener landwirtschaftlichen Reden mit angehört — Sie hätten sich mindestens eben so sehr darüber amüsirt, wie über irgend eine Theaterposse. Es ist mir übrigens gelungen, das Recept znr Anfertigung solcher Reden zn erhalten; es lautet: Man nehme eine beliebige Anzahl von Zetteln, beschreibe einen jeden derselben mit einem Stich- und Schlagwort der Zeit, thue dieselben in einen Sack, schüttele sie wohl durch einander, ziehe sie dann aufs Geradewohl heraus und hefte sie so aneinander — so hat man eine Rede, welche ihren Eindruck nicht verfehlen wird. Ich verdanke die Mittheilung dieses Handwcrksgeheimnisses dem Oberforstrath Freihcrru von Wedekind, der es durch übertriebene Anwendung desselben inzwischen sogar dahin brachte, daß die zahme landwirtschaftliche Gemeine ihn von der Tribüne herabzischte. Aber Sie fragen mich im Ernste: Was hat der Congreß in seiner zehntägigen Sitzung erreicht? Ich kann Ihnen darauf nur antworten: Er hat eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, welche der Nationalversammlung als Gutachten Sachverständiger znr Berücksichtigung empfohlen werden sollten. Diese Beschlüsse sind aber entweder so einseitig und unfrei gewesen, daß die Nationalversammlimg sie mit mitleidigem Achselzucken bei Seite legen wird, oder sie waren selbstverständig nnd daher total unnöthig. Und dafür also Zeit und Geld verloren? Sehen Sie, so ist eö mit allen Congrcssen in Frankfurt gewesen; nicht eine innere Nothwendigkeit hat sie zusammengerufen, sondern der Ehrgeiz und der lächerliche Dünkel einzelner, die ihre in einer großen Zeit vergessenen Namen wieder einmal wollten nennen hören. — Popularität ist heut zu Tage ein ganz anderes Gut geworden wie früher und der Glacehandschuh scheut sich jetzt nicht mehr vor der Berührung mit der schwieligen Faust des Arbeiters. Sehen Sie jenen eleganten jungen Mann, dessen Tournüre unverkennbar den Aristokraten vom reinsten Wasser verkündet, sehen Sie ihn, die Lorgnette in's Auge gekniffen, das zierliche Stöckcheu in der weiß bekleideten Hand — es ist ein Prinz. Würden Sie es glauben, daß er der Vorstand des Vereins zum Schutze der Arbeiter ist? Es ist so — wer hätte das ehemals für möglich gehalten. Allein tvmjiora imit<mtur et »o» imitimnu- in illi«. Tiefer Blickenden will freilich das offen zur Schau gestellte Kvkettiren der K-mte vnl«<- von ehedem keineswegs behagen — aber es gehört auch zu den Zeichen der Zeit.
Ich komme wieder auf die verschiedenen Evngresse zurück. Interessant ist es