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gewichst, breit umgetreten und die Weste scheint, dem Kragen nach, alle Ursache zn haben, sich unter dem zugeknöpften Frack zu verstecken. Er fährt mit Per Hand über die Stirn, streicht die sorgfältig abgetheilten, glänzend geschmierten Haare ein wenig bei Seite nnd spricht bis über die Augen cr- rvtheud nach einer etwas scharrenden Verbeugung: „Entschuldigen gnädigst, Euer gräflichen Gnaden - der Herr Doktor von Mohr schickt mich hierher -" Die Barouiu, welche den jungen Mann beifällig betrachtet hat, nickt herablassend mit dem Lockenhaupt und deutet auf ein Tabouret. Der Kandidat theilt die Schöße seines Fracks auseinander, um sich niederzusetzen, hat aber das Unglück, dieses Manövre gerade Angesichts der Gräfin Ho- ronski auszuführen, welche in diesem Augenblick in den Salon zu ihrer Schwester tritt, und mit einein sehr geringschätzigen Gesichte dem ausgeschnellten Kandidaten zuwinkt, sitzeu zu bleiben. Die beiden Schwestern haben sich heute uoch nicht gesehen, sie umarmen und küssen sich daher, dann sprechen sie erst eine Viertelstunde über allerhand geringfügige Dinge, während welcher Zeit der arme Kandidat wechselweise Jaromirchen, seinen mnth- maßlichen Eleven, und den Papagei betrachtet, der „bon jour» sagt nnd häufig Lust bezeigt, Karolinen in die Finger zn beißen. Dabei blickt er jedoch jeden Augenblick verstohlen nach den beide» Herrschaften, die jetzt zusammen flüstern. Augenscheinlich ist die Rede von ihm, sein Herz pocht ungestüm — uud als sich Beide nun direkt ihm zuwenden, vergeht ihm auf einige Sekunden der Athem.
„Sie wünschen bei der Baronin als Hofmeister einzutreten" nimmt die Gräfin das Wort und sieht ihn dabei sehr imponirend an. Die Gräfin ist um ein Paar Jahre älter als ihre Schwester, glänzender verheirathet und hat außer der Toilette den beständigen Aufenthalt in der Hauptstadt vor ihr voraus. Der Kandidat verbeugt sich und flüstert „unterthänigst aufzuwarten."
„Was studiren Sie?"
„Das dritte Jahr der Rechte."
„Und verderben Sie ihre Carriere nicht, wenn Sie hinausgehen? Sie werden sehr austäudig bezahlt, aber auf eiue Pension haben Sie keine Ansprüche."
„Sonst aber werden Sie Alles haben," fiel die Baronin ein, welche bereits eine leise Furcht enrpfand, der hübsche junge Mann werde durch ihre Schwester abgeschreckt, den Autrag ablehnen. Die Gräfin zwinkerte mit den Augen und sagte: „Sie erhalten dreihundert Gulden jährlich, und wenn Sie die Erziehung vollenden, die Jnstiziärstelle auf der Herrschaft meines Schwa-
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