Beitrag 
Ein Besuch bei Itzstein in Hallgarten.
Seite
102
Einzelbild herunterladen
 

I«2

geradezu auf den Leib, er kennt aber alle Finten der parlamentarischen Taktik und weiß sie zur Zeit wohl zu benutzen. Auch in den Ge­sprächen in Privatkreisen wie in öffentlicher Kammer läßt er d-e Tis- cussion sich eine Zeit lang da und dorthin bewegen, er versteht die seltene Kunst: zu hören. Er nimmt das Vorgebrachte mit seltener Hingebung auf. Er beherrscht die Besprechung nicht, indem er als­bald auf jede Bloße loszufahren trachte- und sich allein mit seinen Ansichten immer mitten hinein stellt; er läßt die Streiter sich zuerst ordnen, damit man wisse, wo das Haupttreffen gilt, und dann rückt er mit seinen Kerntruppen hervor. Dem niedern Bewußtsein gegen­über findet er das Faßliche und Packende schnell heraus. Er braucht seine Gedanken nicht erst loszutrennen aus einem fern von den That­sachen entworfenen Programm, jeder Gedanke ist aus dem Leben ge­boren, ein Lebendiges« für sich. Als nothwendige Ergänzung steht ihm zur Seite der mit welthistorischem Ueberblicke und wissenschaftlichem Tiefblicke ausgerüstete Welcker, der vom badischen Lande wie vom ganzen deutschen Volke mit gleicher Liebe verehrt wird, wie Jtzstein. Wie schnell erglüht das liebevolle Antlitz Welckers, wenn er von Unter­drückung und von Volksrechten spricht! Wie lauscht er jeder Regung der Zeit in Schrift und Wort! An hochherzigem Edelsinn wird Wel­cker von Keinem überragt. Ihnen schließen sich an: der reichbegabte und unerschrocken freimüthige Bessermann, mit seinem feingeschnittenen Gesichte und den gehaltenen Lebensformen, der als eine Zierde mo^ dernen Bürgerthums und seiner Culturhöhe betrachtet werden muß; der biederbe Gottschalck mit seiner allemannischen Kraftgestalt und Redeweise, mit gesundem Herzenstakte besonders auf das sittliche Moment in den Fragen des TageS dringend; der sarkastische Mathy und noch viele andere wohlbekannte und verehrte Männer. Man findet sie oft an Jtzstein's Tisch in Mannheim und in Hallgar­ten, und der treulich erfüllten Menschen- und Bürgerpflicht fehlt es auch nicht an der Freude im stillen Kreise. Der bis zur hohlwan­gigen Jnteressantheit abgeblaßte Weltschmerz war in diesen Krei­sen nie heimisch; er ist auch aus der Literatur verschwunden, seit­dem man dem Leben näher gerückt ist, seitdem man genau sagt und weiß, was man will, und sich nicht einer verzehrenden Kopfhängerei hingibt, die nur das Wid-rspiel eines mattherzigen Pietismus ist. Man thut seine Pflicht in Wort und That, man vergißt den großen