Die prensiischen Provinzialstände und die Reichsstände.
Dieselbe Macht der Geschichte, welche an die Stelle der überlieferten Sitte die Gründe wägende Einsicht gesetzt hat, und eine öffentliche Meinung an die Stelle der Stan- dcßmeinung — eben sie ist es, welche die alten Landstände zusammenrücken heißt zu einer Volksvertretung, die allgemeinverbindliche Gesetze und Gcldabgaben bewilligt.
Dahlmann.
Die preußischen Provinzialstände sind weder „Provinzialstände im Geiste der ältern deutschen Verfassung", noch entsprechen sie der „Eigenthümlichkeit des Staats" und dem „wahren Bedürfniß der Zeit." Nnch der ältern deutschen Verfassung hatten die Stände daö Recht der Steuerbewilligung. Die Steuerverweigcrung war rcichsge- setzlich anerkannt, wie I. I. Moscr beweist. „Das wichtigste Recht der Landstände", versichert der kurhannoversche Kanzler Struben, „besteht darin, daß ohne ihre Gcnchmhaltung keine Steuern von den Unterthanen beigetrieben werden können." Die Provinzialstände entsprechen der Eigenthümlichkeit des preußischen Staates nicht, der durch Centralisation aller Kräfte erstarkte, indem sie statt zur Einheit zur Auflösung des Staates in Provinzen führen. Sie sind dem „wahren Bedürfniß der Zeit", das keine Standes- und Kastenunterschicde anerkennt, das eine gleiche Berechtigung Aller fordert, nicht gemäß. Die Provinzialstände haben nur das mit der ältern deutschen Verfassung gemein, daß nicht das Volk, sondern Particularinteressen einzelner verschieden berechtigter Stände und Provinzen durch sie vertreten wer- den, wodurch ein Geist der Versumpfung in Privat-, Standes- und