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seinen Zechbrüdern erzählt, hier habe ein Mal ein Tempel gestanden, an derselben Stelle habe ein Mal ein Priester gedroht mit GotteS Zorn; da, wo Tanz und Jubel, habe einst eine büßende Seele in Sack und Asche getrauert. Wer weiß, ob nicht, wo jetzt die Gebeine modern, bald Rosen glühen und das Leben lacht; auf den Schlacken der geschmolzenen Glocken — der Schmelz von Jugend und Schönheit! — Noch röchelt das Echo seufzender gestorbener Menschen durch diese Mauern, noch weht es den einsam nächtigen Wandrer an wie Leichendust und Brandgeruch; noch heben sich zwischen den Trümmern — die Geister der entsetzlich Gefallenen — nächtlich zwischen den, Nebeln, und die Wehklage winselt zu den Sternen; Ohmnacht und Grauen wankl in den hohlen Tiefen; dald ist keine Spur mehr von den Tagen des Schreckens, und das Gedächtniß löscht eine Jammerknnde nach der andern von ihrer Tafel. Wie viel Gedanken, Bilder und Erinnerungen gehen mit einer Generation zu Grabe! Die Enkel streifen nur flüchtig am Sarge ihrer Ahnen vorüber. — Stürze dich immerhin in dein eignes gähnendes Grab, du alter Frömmling aus Backsteinen; sie werden' deiner noch lange gedenken und vielleicht kommen ihnen Stunden der Wehmuth, in denen sie das Auge zu dir erheben, und statt deiner Nichts sehen, als den kahlen Himmel; dann weinen sie dir nach und sprechen eine moderne Elegie statt des Rosenkranzes. Die Zeiten sind nicht mehr, da tausend Hände mühsam Steinchen auf Steinchen häuften, beharrlich von nah und fern herbeischleppten und für Ewigkeiten fest kitteten; heute muß Alles aufschießen, wachsen in Einer Nacht, in Einem Nu; heute gießen wir eine Kirche aus Eisen, Tempel aus einem Guß. Der alte Geist ist hinweggeschmolzen, und der junge fließt wie klingende Glockenspeise im Feuer einer großen schönen Sonne. Und am Ende wozu so hohe Thürme, in einer ^eit der Nivellirung? Er hat seine Frist dahin, sein Leben gelebt; laßt die Todten ruhn. Diesem alten müden Giganten steht der letzte Schritt noch bevor. Bis jetzt hat man noch, nicht wie auf dem Petrithurm seine Höhe erreichen können, fast scheint es, keines Menschen Fuß werde dort oben je mehr Raum finden, keines Sterblichen Auge von dort oben über die dunstende Stadt hinaus in die lachenden Fluren des leise rauschenden Elbstro- nics spähen. Es würde Nichts besser in den Schlußact des großen Dramas passen, das der alte Thurm selbst aufführt, als wenn er den zagenden Händen der Menschen zuvorkäme und in einer Sturmesnacht zusammenstürzte. Ich glaube fast, er thut's, denn grämlicher und lebenssatter blickte nie ein lebendiger Stein.
Georg Schirgeö.