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Tagebuch.
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528
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T a g e b u ch.

Gutzkow und die deutschen Kleinstädter.

Man muß es den deutschen Literaten nachsagen, sie wissen alle Erwartungen zu übertreffen. Wenn man alle Winkel des deutschen Philisterthums gehörig studirt zu haben glaubt, so steigt der ehrliche Michel plötzlich von einer ganz andern Seite auf und zwingt uns Bewunderung sür seine unendliche Mannig­faltigkeit ab. Dies haben wir neuerdings bei der Beurtheilung der Gutzkow- schen Briefe gesehen. Es war vorauszusagen, daß diese Briefe auf viele Gegner stoßen würden. Wenn man ein so abgespieltes Thema, wie eine Reise nach Paris, beschreibt, so muß man neue Gesichtspunkte aufstellen; wie, sollten sich da die alten vorgesaßten Meinungen nicht dagegen auflehnen? Offenbar hat Gutzkow im Dränge Neues zu sagen, sich verleiten lassen, manche Dinge auf den Kopf zu stellen. Es ist aus vielen Seiten dieser Briefe ersichtlich, daß ihr Verfasser, noch bevor er manche Personen oder Zustände persönlich zu Gesichte bekam,sein Urtheil über sie in sich trug und die persönliche Anschauung nur dazu aussuchte, um sie besser motiviren zu können. Man kennt Paris, ohne dort ein Gamin gewesen zu sein wie, komisch genug ein Correspon- dent der Augsburger verlangt. Man reist nach der Hauptstadt Frankreichs nicht wie ein Naturforscher nach Ccntralamerika reist, um über Menschcnraccn und unbekannte Landstriche einen wissenschaftlichen Rapport abzustatten. Jeder Gebildete trägt ein fertiges Bild von Paris in sich. Und so ging es auch Gutzkow. Er kam mit Sympathien und Antipathien und suchte neue Belege.