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Briefe aus der böhmischen Hauptstadt.
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lome ein lebhaftes Interesse nahm. Frankreich ist für uns ein viel zu ferner Staat, als daß man hier sich viel mit ihm beschäftigen sollte. In dem engen Bette, in welchem der deutsche und böhmische Wellenschlag.aufund niederwogt, ist keinPlatzfür ein drittes,für fran­zösisches Wesen. Wenn der Herzog von Bordeaux, von seinein Hofmeister und einem Bedienten begleitet, durch die Straßen ritt, zeigte sich nirgends auch nur die geringste Theilnahme. Die Bür­ger blieben nicht stehen, um ihn zu grüßen, die Frauen traten nicht in die Ladenthüre, um ihm nachzusehen. Wenn Letzteres vielleicht jetzt eher als früher geschieht, so hat es seine Ursache darin, weil der Herzog ein hübscher, kräftiger, junger Mann geworden ist, des­sen Anblick, trotz seines für seine Jugend unverhältnismäßig starken Embonpoints, manches Busentuch höher schwellen macht. Ob er hinkt, kann ich Ihnen nicht sagen, da ich ihn nicht zu Fuße gesehen habe. Aber welch ein Unterschied zwischen seinem ersten und seinem zweiten Hiersein, zwischen seinem Knaben- und seinem Jünglings­alter! Damals war der kleine hiesige Carlistenhof in zwei Factionen getheilt: die Herzogin von Berry stand dem alten König Karl dem Zehnten mit großen Ansprüchen gegenüber; die Henriquinquisten erklärten den Herzog von Bordeaux für ihren König, weil sein Großvater zu seinen Gunsten abgedankt. Karl der Zehnte wollte jedoch keinen Fuß breit von seiner Würde vergeben. Nun ist er todt und seinem Enkel steht Nichts in dem Wege, König zu sein,

als--Alles. Der Tod des Herzogs von Orleans hat das

kleine Häufchen der Legitimisten gelüftet und das Schlimmste ist, der junge Prätendent selbst hat den Glauben an sich verloren. Daß er in österreichische Dienste treten will, wie hier Einige sagen, ist eine offenbare Uebertreibung. ES wäre ein furchtbar tragischer Wink des Schicksals, wenn der Sohn Napoleons und der letzte Sprößling der Bourbons, die dem Hause Haböburg durch Jahrhunderte den Krieg gemacht, auf der Namensliste der österreichischen Offiziere der Nachwelt die wunderbaren Fügungen der Geschichte erzählten.