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Ein deutscher Viruos auf Otahaiti.
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den auf mich zuschreitenden gelben Diplomaten, der sich eben etwas unzart über meine Anwesenheit erkundigen wollte, als der Missionär eintrat und mich zur Königin berief. Allerlei Ammenmärchen von Hautabziehen, Kopf­abhacken und Lebendiggebratenwerden durchkreuzten düster meine Phantasie, als ich, die Geige unter dem Arm, durch die mit allerlei mystischen Geräth- schaften, Waffen, Kriegstrophnen, Schädeln von vielleicht gefressenen Feinden behangencn Vorgemächer der Jndianerkönigin schritt.

Mein Begleiter führte mich in ein Gemach, wo eben mehre Hofdamen in nicht sehr reizendem Neglig6 Toilette machten. Hier stimmte ich meine Geige, waffnete mich mit dem Bogen, und in wenigen Minuten stand ich vor der barfußen Potcntatin.

In einem mit buntem Baumwollenzeug drapirten, sonst aber sehr wenig mcublirten Gemache, saß auf Strohmatten, mit untergeschlagenen Füßen, die Königin Pomare. Ein grell gemaltes Madonnenbild hing über ihrem Sitz, und zu ihrer rechten und linken Seite kauerten zwei barfuße Hofdamen in phantastischem Anzug, die mit großen Fächern aus Straußfederu ihrer Her­rin Kühlung zuwehten.

Pomare, ungefähr 36 Jahre alt, ist eine eher große, als kleine Gestalt, ihr Körperbau edel und wohlgeformt, ihre Haltung nicht ohne Majestät und Würde, und ihre Gesichtszüge, voll Ausdruck und Lebhaftigkeit, zeigen Spu­ren einstiger Schönheit, vbwvl die etwas aufgeworfenen Lippen und der gelbe Teint ihrem Gesicht! ein eigenthümliches Ausschn geben. Ihr sehr dunkles Haar wird durch einen großen Kamm auf dem Wirbel zusammengehalten, und auf ihrer schön gewölbten Stirn sitzt ein einfacher, goldener Reif. Ein durchsichtiges Moufselinkleid, von lichtblauer Farbe, umhüllte in weiten For­men ihre Schultern und schloß sich eng an die Hüften, wo es durch eine Binde zusammengehalten wurde, aber es war nur sehr kurz und reichte kaum über die Knie. Arme und Beine waren mit Glasperlen, Korallen und Muscheln geziert, und die große Fußzehe sehr sorgfältig mit einer röthlichen Farbe be­malt und mit Ringen geschmückt.

Um ja keinen Verstoß gegen die tahitische Hofetikette zu begehn, verneigte ich mich so tief als möglich, und begann mit einigen einfachen Melodien dieses seltsame Hofconcert. Aber Pomare hörte nicht und schwatzte zu meinem großen Verdruß lieber mit ihren barfüßigen Hofdamen, die mit ihrem Ge­schnatter mein Spiel übertönten. Schon dachte ich, verdrießlich über diesen unerwünschten Erfolg, an den Rückzug, als-ich mich entschloß, noch einen letzten Versuch zu machen, den Bogen in Bewegung setzte und'dasVög­lein" ertönen ließ. Die Königin wurde aufmerksamer, das Aankee Doodle schien ihr nicht unbekannt, denn als dieses im Flageolet ertönte, nickte sie mit dem Kopf und schien so entzückt davon, daß sie ihre beiden Kinder her-