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Ein deutscher Viruos auf Otahaiti.
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bin der Held von Tahiti. Und diese Wunder alle hat nur derCarneval" bewirkt. Wahrlich, die Violinspielcr wissen gar nicht, wie viel sie diesem Stück zu danken haben, dessen wunderthütige Wirkung oft wie ein Sirenen­lied das starrste Publicuin entflammt, und oft ward cs mir, wie diesmal, zur rettenden That.

Einige Tage nach dem Concert wurde ich zum Gouverneur geladen, wo auch alle Consuln und fremden Agenten Tahitis anwesend waren, denn es wurde das Geburtsfest des Gouverneurs gefeiert. Auch eine Deputation Ein- geborner, die den Gouverneur zu beglückwünschen kamen, wurde zur Tasel gezogen. Sie machten mir wieder sehr viel Spaß. Sie waren aufs sorg­fältigste gekleidet, trugen sogar Vatermörder und Glacehandschuhe ,als Sym­bole erworbener Cultur, aber die Nacktheit ihrer Füße behielten sie conscqucnt und ungeschmälert bei. Es war ergötzlich, mit anzusehn, wie die guten Na­turkinder sich vergebens abmühten, die feinen Manieren der europäischen Tisch- genossen nachzuahmen, und wie ungeschickt sie die ihnen sonst ganz über­flüssigen Servietten, Messer und Gabeln handhabten. Jede neu aufgetragene Speise brachte ihnen neue Verlegenheiten, ja, ein famoser Pudding, an dem sich die ganze Tischgesellschaft delcctirte, spielte einem der gelben Gäste den boshaftesten Streich, denn er wollte dem Gaumen des Natursohncs so wenig munden, daß in seinem Magen eine entsetzliche Empörung ausbrach. Wie sollten aber auch diese französischen Leckereien jenen urwüchsigen Gelbhüuten munden, bei denen vor noch gar nicht langer Zeit ein Stück Menschcnfleisch gebraten oder gesotten als' großer Leckerbissen galt; denn nicht nur die gefan­genen Feinde allein waren es. die sie kochten und verzehrten, sondern auch junge Mädchen, die durch irgend einen Fehler den Zorn der Götter erweckten, wurden zur Strafe festlich geschlachtet, in Gruben gebraten und dann ver­zehrt. Seit diesen entsetzlichen Greuelthaten ist noch kaum ein halbes Jahr­hundert verflossen, und jetzt geigt hier ein europäischer Violinspieler schon den Carneval". Wahrlich die Civilisation ist schnell! Wie froh bin ich, daß ich nicht früher gekommen, denn dreißig Jahre früher hätte man mir vielleicht aus lauter Verehrung den Kopf abgeschnitten, oder mich lebendig gebraten, um den zürnenden Eatu-Rahai (Donnergott) durch meine musikalische Persön­lichkeit zu versöhnen.

Sehr originell und merkwürdig sind hier die Tänze. Tahitische Mädchen, die mit herabwallenden Haaren, mit Blumen geschmückt, sonst aber nur sehr wenig bekleidet sind, jagen wie im Fluge dahin. Dieses geht so fort, bis sie athemlos und erschöpft in den Sand sinken, wo sie so lange regungslos liegen bleiben, bis es der pantomimischen Ueberredungskunst ihres Tänzers gelingt, die Erschöpfte zu einem neuen Tanze zu bewegen; wie ein Blitz so

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