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Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung :
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Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung

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Im zweiten Abschnitt ist die große Wichtigkeit hervorgehoben worden, die die Kenntnis und die Beurteilung der Gefahrumstäude für den Versicherer hcit. Es versteht sich von selbst, daß die Gesetzgebung dieses in vollem Maße würdigen nnd alles vermeiden muß, was der Bedeutung dieses Vcrtrags- elements irgendwie zu nahe treten könnte. Andrerseits mnß aber auch dein Mißbrauch gesteuert werden, den die Versicherer gerade mit Verfehlungen in dieser Richtung getrieben haben. Das Gesetz kann nicht im einzelnen die Gefahrumstäude bezeichnen, die von Wichtigkeit sind; es muß dem Nichter über­lassen, dies unter Berücksichtigung der gesamten Sachlagenach dem ver­nünftigen Ermessen der Sachkundigen" zu beurteilen.

Man unterscheidet die Anzeige der Gefahrumstäude bei dein Abschluß des Versicherungsvertrags und die Gefahrerhöhung. Diese letzte liegt im Sinne des Gesetzes nicht bei jeder Änderung des ursprünglichen Zustandes, sondern nur dann vor, wenn sie ans der Änderung eines Umstandes beruht, dessen uuveründerte Fortdauer der Versicherer bei der Schließung des Vertrags voraus­setzen durfte. Auch das mnß nach der Lage des einzelnen Falles entschieden werden; das Gesetz bestimmt überdies, daß eine Änderung nicht in Betracht kommt, dnrch die die Gefahr nur iu geringer Weise erhöht wird. Für die meisten Versicheruugszweige ist es üblich geworden, daß der Versicherer beim Vertragsabschluß dem andern Teile eine Reihe bestimmter auf die Gefahr­umstäude bezüglicher Fragen vorlegt, uud daß die Umstände vertragsmüßig fest­gesetzt werden, deren Änderung den Bestand des Versichernngsverhültnisfes beeinflussen soll. Für diese beiden Fälle vertragsmäßiger Festlegung der Gefahr- umstündc gibt der Entwurf im striktesten Gegensatze zu allem bisherigen Rechte und zn der Forderung der Versicherungsgesellschaften dein Versicherten die Befugnis, durch Gegenbeweis darzutuu, daß der Umstand für die Übernahme oder für die Erhöhung der Gefahr in Wirklichkeit nicht groß gewesen ist. Die Wichtigkeit dieses Satzes für die Erreichung eines der Billigkeit angemessenen Rechtsznstandes kann gar nicht hoch genug angeschlagen werden.

Ferner soll jede Verletzung der Anzeigepflicht oder der sonstigen Obliegen­heiten in Ansehung der Gefahrumstände nnd der Gcfahrerhöhung dem Versicherten unschädlich sein, wenn er nachweisen kann, daß ihn dabei kein Verschulden trifft, also nicht uur, wenn ihm bei Anwendung pflichtmnßiger Sorgfalt der verschwiegne Umstand oder die Unrichtigkeit der falschen Antwort unbekannt geblieben ist, sondern auch weun er über die Wichtigkeit in entschuldbarem Irrtum war. Als letztes Schutzmittel endlich bleibt dem Versicherten der Nach­weis offen, daß die Erhöhung der Gefahr keinen Einflnß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder nnf den Umfang der Entschädigung gehabt hat. Hierher gehört z. B. der Fall, daß der Versicherte in der Nähe des versicherten Hauses einen feuergefährlichen Fabrikbetrieb eingerichtet hat, und das Haus demnächst abbrennt, aber nicht infolge des Fabrikbetriebs, sondern etwa infolge von Blitz­schlag, Gasexplosion in den Wvhnrüumen oder Brandstiftung. Ebenso würden künftig auch die bei Lebensversicherungen üblichen Bedingungen beurteilt werden müsseu, die eine Seereise oder einen Aufenthalt außerhalb Europas Grenzbote,, III 1908 92