658
zugrunde bei den Zeitwörtern „dingen" (ausdingen, abdingen; ursprünglich — gerichtlich verhandeln, dann verhandeln überhaupt, feilschen, anwerben, mieten), „(sich) verdingen," „bedingen" (ausbedingen), „jemand dingfest machen" (— festnehmen zur gerichtlichen Uutersuchung). Dasselbe gilt natürlich vvn den Substantiven „Beding," „Bedingung," „Vcrdingung," „Gedinge" („Leibgedinge"). Aber auch in dem bekannten Spruche: „Ällesrj guten Dinge sind drei" bedeutet Ding zunächst Gerichtsverhandlung oder Gerichtstermin; er hatte also ursprünglich einen spezifisch juristischen Inhalt, während wir ihn heute nur in einem ganz allgemeinen Sinne gebrauchen, „etwa wie in Lessings Minna von Barnhelm der Wirt dies Sprüchlein bei Prüfung des dritten Glases echten Dcmzigers dem zögernden Just in empfehlende Erinnerung bringt" (Cvhn, Deutsches Recht im Munde des Volks usw., Heidelberg 1888, S. 4). Wie die Zahl drei — eine mythische Zahl aller Naturreligionen — von jeher bei den Germanen als heilig gegolten und in Sage, Religion, Sitte und Recht eine hervorragende Rolle gespielt hat, so „konnte auch vor Gericht . . . keine Verurteilung in der Sache selbst ergehn, bevor nicht eine dreimalige Vorladung des Verklagten stattgcfnnden, ... es mußten eben der ordentlichen Gerichtsversannnlungen, der echten oder guten Dinge sGegens.: gebotene Dinges drei sein" (Cohn, a. a. O.). Erst nach dreimaligem Nichterscheinen konnte also gegen den Ausgebliebnen ein Kontumazialverfnhren eingeleitet, und er dnriu verurteilt werden (vgl. z. B. Sachsensp. I I I, Art. 39, § 3), wie er umgekehrt auch freigesprochen wurde bei dreimaligem Ausbleiben des Klägers, „wenn dieser ein Gut mit. Beschlag belegt hatte" (vergl. Sachße in d. Zeitschr. f. deutsches Recht, XVI 1856, 'S. 121/22).
Auch unsre Ausdrücke „verteidigen," „Verteidigung" und „Verteidiger," wie noch jetzt gesetzlich der Rechtsbeistand des Angeklagten im Strafprozesse heißt, stehn in einem viel engern Zusammenhange mit dem „Ding" des altdeutschen Rechtslebens, als man auf den ersten Blick vermutet. Da nämlich bei den Germanen nach einem wohl alt-arischen Grundsätze die Rechtspflege ruhen mnßte, sobald „die Sonne zu Gnaden gegangen," oder mit andern Worten jede Gerichtsverhandlung regelmäßig nur bei Tage (vor Sonnenuntergang) geschehen durfte, so bezeichnete man sie auch wohl — statt bloß als „Ding" — genauer als „Tageding" (cihd. wAaäino, altsächs. clggÄ- tlungi, clAAtlrinAi, niederd. ZeMäinZ). Daraus entstand dann zunächst das ältere Wort „Taidiug" oder „Teiding" (schon mhd. wiclwc:, ttüäinA^ „gerichtliche Verhandlung, Unterhandlung," später auch „unnützes Geschwätz"; vergl. „Narrenteidinge" — Narretei) und weiter durch Vermittlung des Zeitwortes „tÄMclinAkir" (ahd. tÄAo,clinA0n, niederd. äciFeclinASn, cleAeäinß'cm, eigentlich: eine sRechtsjsache während eines Tages- zu Ende bringen) oder „tkickisnjgcin/ tü.cl^njg'6n (verwandt cmch mit „betätigen," seit dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert auch „vortÄclisnsg'srt," uiederl. verclocliMm) unser neuhochdeutsches „verteidigen" (und das Hauptwort „Verteidigung") sür die Tätigkeit des Nechtsbeistandes vor Gericht (des „Verteidigers"), dessen jetziger Gebrnnch auch für „sich wehren" im Kampfe mit der Waffe und dann überhaupt für „sich verantworten," mithin erst als eine Erweiterung des ursprünglichen, rein juristischen Begriffes erscheint.
Bei dieser Gelegenheit sei zugleich noch daran erinnert, daß der Ausdruck „Tagfahrt," d. h. ursprünglich die Fahrt znr gerichtlichen Verhandlung, dann diese selbst (vergl. das Holland. Dg^v-uu-ä Landtag), für den „Termin" zu einer Gerichtsverhandlung nach dein oberdeutschen Sprachgebrauche noch jetzt ziemlich allgemein geläufig ist, während sich das einfache Wort „Tag" von seiner engern Bedeutung „Gerichtstag," „Gerichtssitzung" in gewissen Zusammensetzungen zu dem Begriffe „Sitzung" oder „Versammlung" überhaupt (so z. B. „Juristen-, Philologen-, Ärztetag"), ja sogar zu einer Bezeichnung von