Die orientalische Frage
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die Weltlage seit 1828 nicht so gründlich verändert Hütte; wenn nicht durch die Gründung des neuen Deutschen Reichs eine Macht entstanden wäre, die schon durch ihr bloßes Bestehen und durch ihre natürlichen Beziehungen im europäischen Staatenvereiu Nußland gezwungen hätte, den Vertrag von San Stescmo einem europäischen Kongresse zu unterbreiten. Im Februar 1878 besprach Bismarck im deutschen Reichstag den Stand der Dinge auf det Balkanhalbinsel. Er legte besondern Nachdruck auf die Erhaltung der seit hundert Jahren bestehenden friedlicheil Beziehungen zu Nußlcmd; indem er aber die ihm zugemutete Rolle eines Schiedsrichters ablehnte, gab er Rußland deutlich zu verstehu, daß die deutsche Politik durch Sympathien der Hofkreise zu einer aktiven Teilnahme für Nußland uud gegen Österreich-Ungarn nicht zu haben sei. — Diese Äußerungen illustrierten am deutlichsten die Veränderungen, die die Weltlage für den Orient seit der Sendung des Generals Müffling erfahren hatte. Der Berliner Kongreß uud der Berliner Friede stellte denn auch den Vertrag von San Stefano dahin richtig, daß das neue Fürstentum Bulgarien auf Bulgarien beschränkt und Ostrnmclien in eine autonome türkische Provinz verwandelt wurde.
Rußland schien immerhin sehr viel erreicht zu haben. Es gelang ihm, seine Grenzen wieder bis zur Donaumüudung vorzuschieben uud in Bulgarien einen Staat zu schaffen, der trotz seines Suzeränitütsverhältnisses zur Pforte eine russische Provinz zu werden schien. Aber bei näherer Betrachtung kommt man zu dem Schlüsse, daß alle diese Erfolge nur scheinbar waren. Die Entwicklung Rußlands nach dem Südwesten war schon zum Stillstand gekommen. Zunächst zeigte sich das in der Gruppierung der Mächte nach dem Berliner Kongresse. Seine Ergebnisse hatten in Rußland enttäuscht, die Erbitterung darüber machte, daß der aggressive Charakter Rußlands uach dein Westen hin noch einmal deutlich hervortrat. Deutschland war der Gegenstand der Verwünschungen, und wenn man in Petersburg uud Moskau auch Unrecht daran tat, Bismarck der absichtlichen Schmülerung russischer Interessen auf dem Berliner Kongresse zu zeihen, so war doch das Gefühl richtig, daß das Bestehn des Deutschen Reichs das Hindernis war, vor dem man hatte Halt machen müssen. Deutschland zu zerschmettern, dieser Gedanke fand in der russischen Presse immer mehr Raum, und Bismarck konnte die richtige Antwort darauf nur iu dem Abschlüsse des deutsch-österreichischen Bündnisses finden uud dabei den Gedanken verwirklichen, der Felix Schwarzcnberg allerdings in andrer Form als Porsches Ideal vorgeschwebt hatte. Das deutsch-österreichische Bündnis war als Bürgschaft gegen die Revolution des Westens uud des Ostens gedacht und hat sich als solche bewährt. — Wie aber die Geschichte aller Völker zeigt, ^aß ihre Taten schon in sich die Korrektur dagegen enthalten, daß sie über das menschliche Maß hinauswachsen, so hat sich auch Rußland selbst in all Wnen Erfvlgen seit dem Jahre 1856 ebensoviele Hindernisse für seine aggressive ^«geschaffen.
haben das Eingreifen Rumäniens in den russisch-türkischen Krieg als das wichtigste Merkmal des Feldzugs bezeichnet. Es war es nicht nur ^'gm des Endergebnisses für Rußland, sondern auch für Rumänien, indem