Die orientalische Frage
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Friede für das Schwarze Meer auferlegt hatte; Bismarck lieh ihm dabei seine tatkräftigste Unterstützung, zwischen Berlin und Petersburg bestand eine durch das persönliche Verhältnis der beiden Kaiser verstärkte Übereinstimmung, und doch kann man schon fühlen, daß das Vorhandensein eines Deutschen Reichs an sich ans die russische Eroberungspolitik hemmend zu wirken beginnt. — In Rußland wirft man heute noch dein Fürsten Undank und Mißgunst gegen Rußland vor; mit Unrecht. Bismarck wollte die Erhaltung des europäischen Friedens, weil das neue Deutschland dessen zu seiner Kou- solidicrnng bedürfte; dadurch kam seiue Politik allerdings in einen gewissen Gegensatz zu der traditionellen Rußlands; er war bereit, Rußlands Pläne in jeder Weise zu fördern, aber nur so weit, als sie den Frieden nicht gefährdeten und damit den deutschen Interessen nicht zuwiderliefen. Die Zeit, wo sich preußische Minister ihre Instruktionen aus dem russischen Hotel in Berlin holten, war allerdings vorüber. Bismarck war für ein Zusnmmengehn mit Rußland, aber wie der alte Metternich einmal sagte, daß nichts nützlicher sei als das Bündnis zwischen dem Meuschen nnd dem Pferd, man aber der Mensch und nicht das Pferd sein müsse, so war auch Bismarck sich dessen bewußt, daß Deutschland bei einem Zusammenwirken mit Rußland nur dann nicht der leideude Teil, daß es nur dann imstande sein würde, deu europäischen Frieden gegen die revolutionären Traditionen Peters des Großen zu sichern, wenn die Europa mitten durchschneidende Linie von Kiel uach Trieft von einer im guten Sinne konservativen Politik beherrscht würde. Daß Bismarck das Zeitalter der Revolutionen gut kannte und ihre bewegenden Kräfte nnd die Bedingungen ihrer Erfolge richtig einschätzte, beweist seine Haltung am Ausgang des preußisch-österreichischen Krieges.' Ans seinen „Gedanken und Erinnerungen" ist bekannt geworden, mit welcher Energie er sich damals allem widersetzte, was bei dem österreichischen Hof unnötig einen Stachel der Demütigung nnd Verbitterung hätte zurücklasseu können, denn schon damals rechnete Bismarck mit einem deutsch-österreichischen Bündnisse, das ganz in anderm Sinne als die Heilige Allianz eine revolutionäre Entwicklung — die ia mcht immer die Jakobinermütze tragen muß — hiutanhnlten sollte. Zum aktenmäßigen Ausdruck kam dieser Gedanke Bismarcks zuerst in der vom ^4. April 1867 datierten Depesche an Herrn von Werther, die auch schon die erste Skizze des Defcnsivbündnisses in Verbindung mit der orientalischen Frage ausweist. Beust trat damals dazwischen. Aber schon von Versailles ans (Dezember 1870) nahm Bismarck den Plan wieder ans und kam durch die ^alserzusammenkunft in Jschl dem Ziel auch näher. Unterstützt wurde er ^aber durch die Einsicht der damals iu Ungarn maßgebenden Kreise. Die ^vne hatte mit den Magyaren Frieden geschlossen und Ungarn seine staatsrechtliche Selbständigkeit im Rahmen einer dualistischen Verfassung wiedcr- _ , en. Daß diese sich einlebe, war die erste Sorge der ungarischen Staats- Au"!^' bedurften sie aber des Friedens. Andrassy, der damals das ^is ^"^ " ^cn leitete, ging deshalb bereitwillig auf die Pläne
llir^"?^ ""d ein Bündnis der drei Kaiser schien das beste Mittel zu ^ -^erwirklichnng zu sein, da es voraussichtlich auf das Verlangen Nuß- ^enzboten IN 1903 -z,,-'