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Böhmen
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Böhmen

grvßer Nationen und kleiner Stämme ernst hineinzuversetzen, mag die Einsicht nach dieser Richtung vielfach mangelhaft sein, mögen Gefühle enttäuscht und Hoffnungen geknickt werden, aber das ist mm einmal so auf der Welt und wird nicht anders werden.

Wenden wir uns besonders wieder Böhmen zu. Der heutige Besitzstand der beiden dort lebenden Völker ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Geschichte, die in der Hauptsache von der orographischen Gestaltung des Landes bestimmt wurde. Was aus vorgeschichtlicher Zeit auf uns gekommen ist von Bevölkerungen, deren Namen verklungen ist, und von denen nur vereinzelte Alter­tümer Kunde geben, ist nicht viel und beweist nur, daß sich unter den Ein­flüssen der süd- und der mitteleuropäischen Hallstattkultur in Nordböhmen, mehr noch in Mittelböhmen, die erste Eisenzeit zu hoher Blüte entfaltet hatte. Auch diese Urzeit Böhmens zeigt das Ringen zweier Volksstämme. Als die Be­siedlung des alten Germaniens durch die Deutschen begonnen hatte, und diese von dem Ursitze ihres Stammvolkes des westlichen Zweiges, der Semnonen an der mittlern Elbe und Saale, aus die Kelten im Westen und im Südwesten durch den Überschuß ihres Nachwuchses vertrieben, bis sie schließlich auf die Römer stießen, wehrte ihnen im Südosten ein undurchdringlicher Wald- und Gebirgsgürtcl das Vordringen, und die wahrscheinlich keltische Bevölkerung in Böhmen blieb von ihnen ungestört. Jedenfalls hatte sich mitten unter Ger­manen der keltische Stamm der Bojer dort hinter den Bergen behauptet. Erst hundert Jahre vor Augustus drang der große Suebenbund in dieses fruchtbare Gebiet ein, aber das Reich der Markommmeu wurzelte nicht fest in dem neu crworbnen Boden und brach schnell unter römischen Intriguen zusammen. Auf dem Reliefband der Triumphsäule des Markus Aurelius sind als Verteidiger der Pässe des Böhmerwcildes Krieger dargestellt, die sich scharf von den Germanen unterscheiden, nicht nur in Kleidung nnd Bewaffnung, sondern auch im Gesichtstypns, der noch heute so im tschechischen und slowakischen Landvolk vorkommt. Aus diesen und andern Gründen darf man nicht ohne weiteres abweisen, daß die Vor­fahren der heutigen Tschechen Kelten waren, die später ein slawisches Idiom an­genommen haben, woran nichts Auffälliges liegen würde. Doch die Tschechen wollen davon nichts wissen und durchaus Slaweu sein. Für unsre weitere Betrachtung ist es ohne Belang. Daß die deutschen Eroberer und Kolonisten bald wieder südwärts nach der Donau zogen, ist für die weitere Entwicklung des Deutschtums im Südosten von Folgen begleitet gewesen, die wir noch heut­zutage spüren. Die spätere geräuschlose Besetzung des Landes durch die Slawen erfolgte von Südosten her. Als dann im Mittelalter das ganze Odergebiet im Osten von Böhmen wieder dnrch den deutschen Pflug und deutsche Bürger germanisiert wurde, blieb namentlich die Mitte des böhmischen Ninglandes in den Händen eines fremden Volks.

Die heutigen Dcutschböhmen sind nun uicht, wie von tschechischer Seite gern behauptet wird, germanisierte Slawen, deren Sprachgebiet von den Tschechen wiederzurückerobert" werden müsse, sondern sie verdanken ihre Wohnsitze einer alten deutschen .Kolonisation, die in größerm Maße ihren Anfang im dreizehnten Jahrhundert nahm. In den Grenzländern der Donau und der Oder entstanden