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Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache
mvbslon, nis-Iiolsn) endlich denken wir heutzutage gar nicht mehr daran, daß in ihm das Grundwort „Mal" oder „Mahl" (ahd. mickig.1, altnvrd. mal, mhd. mg,no1, mlat. m^llus oder wallum) mit der allgenieinen Bedeutung: Volks- (oder gerichtliche) Versammlung, (gerichtliche) Verhandlung steckt, das noch erkennbar ist in dem altertümlichen „Mahlstatt" für Gerichtsstätte und auch die Quelle zahlreicher Ortsnamen, wie Malching, Male bei Brüssel, Melle bei Osnabrück, Dietmelle bei Kassel, Detmold (ursprünglich ^niotmickli, d. i. Volks- oder Gerichts- vcrsammluug) u, a. m. gewesen ist. Erst später wurde der ursprüngliche Siun des Wortes auf die rechtlichen Vorgänge bei der Eheschließung eingeschränkt. Es handelt sich — genauer betrachtet — um die sogenannte „Verlvbnng" im Sinne des altdeutschen Rechts. Das war zunächst der zwischen dem Bräutigam und der Sippe (oder dem Vater oder dem Vormund) der Braut abgeschlossene Vertrag, durch den das Mädchen dem Manne übergeben wurde und bei dem erst später unter dem Einfluß des Christentums auch auf die Zustimmung der Braut selbst, wodurch sie sich zur Treue verpflichtete, Rücksicht genommen wurde. Dieser Akt nun, der in rechtlicher Beziehung schon als Beginn der Eheschließung galt, wurde meist in öffentlicher Versammlung (m^il^l) vor der Gemeinde vorgenommen, woraus sich auch der Gebrauch des Wortes nr^Iral für „Ehevertrag" entwickelte. Ans den Zusammenhang mit der altdeutschen Verlobung weist heute noch das veraltete Wort „Mahlschatz" (mhd. nrnkol- 8czl>ax) hin, das in den Wörterbüchern erklärt wird als „Brautgabe" oder „Gabe, die bei der Verlobung gegeben wird," und zwar „als Pfand für die Einhaltung des Vertrags," während uns die Grundbedeutung in „Vermählung" ebenso aus dem Bewußtsein geschwunden ist wie in dem stammverwandten „Gemahl" (cchd. Nin^niilo, mhd. MMickwlo) und „Gemahlin." Denn so benannte man anfangs wohl nur die Verlobten (im obigen Sinne) oder die ganz jungen Eheleute, während wir jetzt darin hauptsächlich bloß eine gewähltere Form für das, besonders bei Anreden und Adressen sonderbarerweise nicht mehr recht beliebte „Mann" uud „Frau" scheu, das uns schon etwas zu plebejisch klingt (daher: „Ihr Herr Gemahl" und „Herr Professor X uud Frau Gemahlin"). Ebenso hat ja heute auch „Gatte" uud „Gattiu" für uns etwas Vornehmeres, ja fast Poetisches an sich (vgl. Schillers „Glocke": „Ach, die Gattin ists, die teure"), obwohl einst diese Ausdrücke nur die Personen bezeichneten, die einander gleich stehn und zusammengehören (vgl. Gattung). Gleichsam der umgekehrte Entwicklungsgang wie bei „Gemahlin" zeigt sich endlich bei dem Worte „Braut" (cchd. uud mhd. drut, angels. dr^cl), das in älterer Zeit die Bedeutung „Neuvermählte," „junge Frau" (vgl. das heutige cngl. vriclk) hatte und erst dadurch zu dem Begriffe der „Verlobten" übergegangen ist, daß diese besonders am Hochzeitstage so bezeichnet wnrde, auch bevor noch die Eheschließung vollzogen war. Auch daran haben sich in der Sprache der Gegenwart noch deutliche Nachklänge in den Bezeichnungen „Brautnacht," „Vrautkammer" und „Brautbett" erhalten.
Wie schon aus dem Rechtsinhalt der soeben berührten altdeutschen „Verlobung" zu entnehmen ist, galt schon zur Zeit der ersten Gesetzesaufzeichnungen bei den Germanen der sogenannte Frauenkauf (Brautkcmf) oder die Kaufehe als die normale Eheschließungsform, die sie vereinzelt bis ins spätere Mittelalter geblieben ist. Höchstwahrscheinlich haben jedoch unsre Vorfahren, ebenso wie ihre arischen Vettern (die Inder, Griechen, Römer lind Slawen) einst auch die noch ältere Form des Franenraubs (Brautraubs) oder der Raubehe, weuigstens in gewissem Umfange, gekannt. Darauf kann man nicht nnr aus ältern Sagen, Dichtungen uud einzelnen Bestimmungen der deutschen Volksrechte schließen, daran erinnern nicht nur noch heute manche in den verschiedensten Gegenden vom Volke mit Zähigkeit festgehaltne Hochzeitsgebräuche (wie z. B. der Scheinraub und die Wegsperre), sondern auch in unsrer Sprache findet sich noch eine Beziehung darauf in dem schon uralteu Ausdrucke „Brautlanf" (oder Brautlauft, cchd.