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Villa Glori
sich als gute Kameraden, leisteten den Gefangnen gern Gesellschaft nnd schleppten in den unergründlichen Taschen ihrer weiten Hosen Lebensmittel aller Art, sogar Weinflaschen herbei, um die schmale Krankenkost aufzubessern. Ihr Chef, der bekannte Oberst Athcumse de Charrette, ging ihnen mit gutein Beispiele voran; willig erkcmnte er namentlich die Tapferkeit der Garibaldicmer all. Erheiternd wirkte der Besuch des Abgeordneten irgend eines demokratischen Vereins in Umbrien oder in der Nomagna, der zuerst die Auslieferung der Leiche eines gefallncn Garibcildicmers verlangte, dann, als diese abgelehnt wurde, naiverweise wenigstens Hemd und Mütze des „Märtyrers" haben wollte, um sie bei der Toteufeier als Reliquien zu verwenden. Erst ein Kapuziner mußte ihn darüber belehren, daß man gewisse Dinge in Rom nicht fordern dürfe, und Ferrari riet ihm wohlmeinend, sich schleunigst aus dem Staube zu machen.
Wie nnil allmählich die Wunden heilten uud die hohe Spannung der Gefühle nachließ, machte sich allinühlich die Sehnsucht nach der Heimat geltend. Mit inncrin Jubel vernahmen deshalb Ferrari nnd seine Genossen am 2. Dezember die Nachricht, daß allen, die dazu imstande wären, die Abreise gewahrt sei. Mit bewegtem Herzen nahmen sie Abschied von den zurückbleibenden Kampf- nnd Leidensgenossen, von dem wackern Gcilliani, von den Ärzten. Die nächste Nacht mußten sie allerdings noch in den Gefängnissen der Engelsburg zubringen, uud den Zug, der sie noch bei Dunkelheit aufnahm, begleiteten französische Soldaten bis an die Grenze, wo sie einen italienischen Zug bestiegen. In Grosseto gewährte ihnen die Gastfreundschaft des Prüfekten zuerst das erhebende Gefühl der vollen Freiheit, am nächsten Tage, am 4. Dezember, betrat Ferrari wieder das Elternhans in Udine.
Wenig Tage später, am 7. Dezember, wnrde mich Giovanni Cairoli ans seiner Haft entlassen. Der charaktervolle Mann hatte sich geweigert, einen Revers zn unterzeichnen, der ihn verpflichtet hätte, niemals wieder die Waffen gegen die päpstliche Regierung zu tragen; er wollte seine Freiheit nicht »in den Preis seiner Überzcugnng erkaufen. Es ist ein hochherziger Zug dieser Regierung, daß sie ihn, Wohl auf Vermittlung des Mousiguore Stonvr, auch ohne diese Verpflichtung entließ. Er genas mich in der Heimat nicht wieder. Obwohl keine seiner vier Wunden eigentlich tödlich war, so erlag er doch ihren Folgen am 11. September 1369. Die Erfüllung seiner leidenschaftlichen Hoffnung, den Einzug der italienischen Truppen in Rom, ein Jahr danach, hat er also nicht erlebt.
Seitdem ist die Villa Glori an jedem 23. Oktober ein Wallfahrtsort der patriotischen Italiener geworden. Freilich ist das Grundstück, das jetzt der Stadtgemcinde Rom gehört, durch die ueuen Anlagen des Parev Margherita so verändert, daß sich der Zustand von 1867 kaum noch wiedererkennen läßt, und das Herrenhaus ist in einen Zvllposten umgewandelt. Doch bezeichnet seit 1895 eine Denksüule die Stelle, wo die Cairoli fieleu, und alljährlich bedecke» am 23. Oktober zahllose Kränze das Denkmal und den Mandelbaum daneben. Ein schöneres Denkmal hat den Tapfern, die ohne jeden Zwang einer staatlichen Pflicht für ein hohes Ideal freiwillig in Not uud Tod gingen, ihr Mitkämpfer Ferrari in seinem schlichten Buche gesetzt. Er hat es dankbar seiner verehrten