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Parlamentarische Gxperimentaljnrisprudenz
der dem Verleger obliegenden Verpflichtungen der Sache nach durch andre, so ist nicht abzusehen, warum ihm die Übertragung seiner Rechte aus dem Verlagsvertrng versagt werden sollte. Denn darauf, daß in diesem Fall das Werk auch äußerlich iu einem andern Verlag, also unter der Firma eines fremden Verlegers erscheint, kann kein entscheidendes Gewicht gelegt werden. Zudem wäre ja die Übertragung eines Verlngsgeschäfts im ganzen (es gibt in Deutschland Verlagsgeschäfte, die seit Jahrhunderten bestchu) unausführbar oder doch wenigstens in Frage gestellt, wenn der Verleger sie nicht ohne Zustimmung jedes einzelnen Schriftstellers, dessen Werke er verlegt, bewirken könnte. Da es nun aber zwischen Himmel und Erde nichts gibt, was ein Jurist nicht bezweifeln könnte, so kann es nicht auffallen, daß einzelne Schriftsteller, die sich im Verlagsrecht betütigt haben, auch das Gegenteil behaupten, also ausführen: der Verleger bedürfe zur Übertragung des Verlagsrechts auf einen andern Verleger der Zustimmung der Schriftsteller; denn für den Verfasser sei die Gewähr, die ihm die Persönlichkeit des Verlegers biete, bei Abschluß des Verlagsvertrags oft vou Bedeutung. Die Frage ist aber, da sich die Verleger gewöhnlich in den Verlagsverträgen die Übertragbarkeit besonders ausbedingen, von geringer praktischer Bedeutung, uud der Entwurf zum Neichsgesetz über das Verlagsrecht hätte sie vielleicht gänzlich übergehn können; weil sie in der Wissenschaft aber doch nun einmal erörtert war, so schlug der Entwurf in den Paragraphen 28 und 29 eine Regelung dahin vor, daß gruudsätzlich die Rechte aus dem Verlagsvertrag übertragbar sein sollten, so aber, daß der Verfasser sich wegen seiner Ansprüche aus dem Vertrag nicht bloß an seinen Vertragsgenossen, sondern auch nu den ErWerber des Verlagsrechts halten können sollte, und daß die Übertragbarkeit mit Wirkung gegen den dritten ErWerber unzulässig sein sollte, wenn der Schriftsteller sie im Verlagsvertrag ausgeschloffen habe; diese beiden Festsetzungen hatten demnach den Schutz des Verfassers für etwa besonders liegende einzelne Fälle zum Zweck. Die Regelung dieser Frage nun, die praktisch fast gar kein Interesse bietet, war in der Reichstagskommission der umstrittene Punkt der ganzen Vorlage und gab in der ersten wie in der zweiten Lesung zu ausgedehnten Erörterungen Anlaß, deren Wiedergabe im Kommissionsbcricht sieben Seiten Großfolio ausfüllt! Man verlangte in vollem Ernst eine Bestimmung dahin:
Die Rechte des Verlegers sind ohne Zustimmung des Verfassers nicht übertragbar. Eine Vereinbarung, durch die dem Verleger im voraus das Recht der Übertragung eingeräumt wird, ist unzulässig.
Hiermit wäre die Übertragung eines Verlagsgeschäfts im ganzen kaum noch ausführbar gewesen, und zahlreiche blühende Verlagsgeschäfte, deren Inhaber aus persönlichen Gründen, so wegen Alters oder Krankheit, zur Fortführung des Geschäfts nicht imstande sind, würden der Zerstörung preisgegeben, wenn die Verfasser der Verlagswerke oder deren Erben etwa aus Eigensinn der Übertraguug an einen andern Verleger widersprächen. Das hieße also die Henne töten, die dem Schriftsteller goldne Eier legt. Vergebens war der Hinweis hierauf: einige Kvmmissionsmitglieder blieben bei ihrem Antrag, die