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ökizzen ans unserm heutigen Volksleben
die die wissenschaftliche Bildung verheißt. Wir erkennen in dem vorhandnen Bildungsstreben eiuen der verheisulttgsvollsteu Zuge der Gegenwart und in seiner Förderung eine ihrer erfreulichsten Aufgaben. Aber sie darf uicht er-- kauft werden mit einer Hernbdrückuug unsrer Ziele, mit einer Verkleinerung der Maßstäbe. Jede demokratische Entwicklung birgt die Gefahr, daß sich Annäherung und Ausgleichung nicht nur durch Steigen der unter», sondern zugleich durch Sinken der obern Schichten vollzieht, nnd daß sich damit der Erfolg für die Gesamtheit einschränkt. Diese Gefahr liegt in unserm Falle um so näher, je weniger die wissenschaftliche Bildung um ihrer selbst Willen, je mehr sie als Mittel zum Zweck gesteigerter Erwerbsfühigkeit, gefestigter und gehobner Lebensstellung erstrebt wird. Wir „Besitzenden" wissen den wahren Wert akademischer Bildung zu scheiden von den spornenden und schmückenden Preisen, die an ihrem Wege zu holen sind. Aber das Auge des Feruer- steheudcu richtet sich vorzugsweise diesen zu uud bemißt von vornherein den Umfang der Ausbildung danach, was Prüfungsregulative als Bedingung von Ämtern oder Titeln bezeichnen. Deshalb tritt die Wucht des Andrangs nirgends stärker auf, als au diese» formalen Schranken. Überall sollen die Straßen breit und die Tore weit werden. Wie die Ausdehnung des Ma- turitätszwangs auf immer neue Berufsstände mit dem Streben nach Kürzung des Gymnasialkurses und Abschwüchung der Reifeprüfung in unausbleiblichem Zusammenhang steht, so geht die Erweiterung des Zutritts zur Universität und die Erhebung von Fachschulen zu Hochschulen Hand in Hand mit dem Streben nach Verallgemeinerung und Entwertung der akademischen Grade. Aber es heißt, die emporstrebenden Schichten am echten Lohne ihrer Mühen betrügen, wenn man die Preise nicht hochhält.
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
von Fritz Anders Dritte Reihe ^2. Dornen
>er Morgen kam herauf uud schien durch die Fenstervorhäuge der Wohnung des Leutnants von Crottorf. Eine brennende Lampe stand auf dem Klavier, und vor dem Instrument saß der Leutnant und schrieb Noten, wobei er ab und zu mit dem Finger auf die Tasten stippte. Die Tür tat sich auf; es erschien des Leutnants Bursche mit seines Herrn Stiefeln. Er blieb, die Stiefel unterm Arm, in der Tür stehn und sah sich um. Er konnte durch die offne Tür in das Schlafzimmer sehen und wahrnehmen, daß seines Herrn Bett unberührt war, worüber er kummervoll deu Kopf schüttelte.
Herr Leutnant, sagte der Bursche. — Der Leutnant hörte nicht. — Herr Leutnant, die Stiefel.
Der Leutnant strich sich über die Stirn, wuuderie sich, daß der Tag durch die Fenster schaute, uud sagte: Es ist gut, Friedrich.