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Feuer! : Erinnerung aus dem russischen Polizeileben :
(Fortsetzung)
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Feuer!

ich es nun mit dem Urlaub halten sollte. Um vier Uhr zurückkommen, dcis hieß Mascha das Vergnügen verderben, denn gerade nm die Zeit des Nachmittags be­gann es im Freien angenehm zu werde», wahrend bis dahin die Hitze, die mit jedem Tage zunahm, fast unerträglich war. Auch der Wind, der um die Mittag­zeit seinen höchsten Grad zu erreichen pflegte, legte sich dann gewöhnlich. Ich beschloß endlich, Mascha gar nichts zu sagen und sie nach Umständen unter irgend einem Vorwand zu verlasse», pünktlich um vier Uhr mich dem Aufscher zu zeigen und darauf wieder zu verschwinden. Seine Allwissenheit, hoffte ich, werde wenigstens diesesmnl nicht so weit reichen, daß er auf den Gedanken komme, ich sei znm zweitenmal aus der Stadt gelaufen.

Ich beauftragte Jegorow, der mich in meiner Wohnnng erwartete, am Morgen zeitiger als gewöhnlich die Bewohner meiner Hauptstraßen zum Fegen anzutreiben, weil der Polizeimeister revidieren werde, nahm mir vor, persönlich nur der Rei­nigung der Steinstraße beizuwohnen, und lief noch in den ersten Stadtteil zn den großen Magazinen, wo es mir nur mit Mühe gelang, so spät am Abend noch einige ungewöhnlich schöne Orangen nebst verschiedne» Süßigkeiten zu erhalten.

Freilich weckte mich Gerassim laut meinem Befehl schon um fünf, nachdem ich nur wenig Stunden geschlafen hatte. Trotzdem verging die Zeit, während ich mit besondrer Sorgfalt Toilette machte, und es war schon stark auf sieben, als ich in einem nagelneuen schneeweißen Uniformkittel ans dem Hause trat. Gerassim erhielt den Auftrag, das Päckchen mit den Früchten und Süßigkeiten nm sieben bei Mascha abzugeben.

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Der Südwind blies stärker als an den Tagen vorher, nnd vom graublauen, wolkenlosen Himmel brannte die Sonne trotz der frühen Stunde ganz bedeutend. Ich eilte durch die der Steinstraße zunächst liegenden Gassen nnd fand sie schon rein und in Ordnung. Am Ufer wandte ich mich zur Steinstraße, aus der ich des Wachmeisters Signalpfeife vernahm, und als ich an die Ecke kam und in die Straße einbog, hörte ich Jegorows Pfeifen und Schelten weit vor mir.

Ich ging in der Mitte der Straße rasch vorwärts. Bei den letzten steinernen Häusern fand ich die Hausknechte und die Mägde noch im Handhaben der Besen und Körbe begriffen.

Auf der Bank an der Pforte seines Hauses saß der Richter im allerbeqnemsten Morgenkostnm in der Sonne. Er hatte weite leinene Beinkleider an uud über dem Hemd ein leichtes vorn offnes Jackett. Den Kopf bedeckte ein alter Panama- Hut. Die Füße steckten in Pcmtosfeln, die einst ausgenäht gewesen waren. Er schaute wohlgefällig ans Agafja, die in einem ebenfalls vorn offnen Kattnnkleide barhaupt und barfuß in der Mitte der Straße stand und sich nach allen Seiten umschaute. So leicht bekleidet bot sie die Möglichkeit zu erkennen, wie wohlgenährt nnd gut gebaut sie sei. Sie hielt in einer Hand einen leeren Korb, und mit der andern schulterte sie eineu Besen.

Eingedenk der Worte Burins wollte ich die Gelegenheit benutzen, ihr zuerst Guten Morgen, Agnfja Platonowna! zurufen uud dann den Richter begrüßen. Ich kam aber nicht dazu. Sie sah mir mit halbzugekniffnen Augen entgegen, drehte sich hin und her und wartete, bis ich nahe genug war, ihre Worte verstehn zu können. Dann wandte sie sich laut an den Richter.

Da kommt, glaube ich, der Herr Gehilfe, sagte sie. Bitten Sie ihn doch, Herr, daß er mir zeigt, wo es hier etwas zu reinige» gibt. Ich gucke mir die Augen krank und kann nichts Unreines bemerken.

Ich war unterdessen herangekommen. Ich grüßte den Richter, während Agafja sich zur Seite wandte, mit dem Besen manövrierte und mir die Hinterseite zukehrte.

Hier ist es allerdings rein, sagte ich uud wollte vorübergehu.

Gestern Abend hat der Zehntner die Straße gekehrt, ehe ich ihn nach Hause abfertigte, bemerkte der Richter mit seinem tiefen Baß.