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über die morsche Brücke, die merkwürdigerweise dieses mal noch aushielt — freilich Passierten die Halbkvmpagnien zur Vorsicht in Intervallen —, in den dritten und Von dort weiter etwa eine halbe Meile aus der Stadt, wo sich die Leute sofort auf dem von dem frühern Militär zu demselben Zweck benutzten Platze an das Aufschlagen des Sommerlagers machten. Am Tage darauf sollte dort Feldgottesdienst gehalten und auf Kosten der Stadt den Truppen ein Festessen gegeben werden.
Soweit der Zug dnrch unsern Stadtteil ging, waren wir vollzählig in Parade- nniform auf der Straße, nm die Zuschauermenge in Ordnung zu halten und Gedränge zn verhüten. Ich betrachtete mit großem Interesse die von der Frühlings- sonne schon dunkel gebrannten Gesichter der Soldaten, die leidlich munter und stramm dahin marschierten, obwohl sie schweiß- uud staubbedeckt es unter der schweren Last der Flinten, Tornister, gerollten Mäntel, Brotbeutel und Kochgeschirre gewiß nicht leicht hatten.
Noch mehr fesselten meine Aufmerksamkeit die Offiziere, von denen die meisteil glänzend schwarze Schuurrbärte zur Schau trugen und statt der gewöhnlichen grauen Mäntel schwarze, zottige, ärmellose Regenüberwürfe um die Schultern geschlagen hatten. Auch mein Bekannter, der bärtige Leutnant, der am Tage vorher dem Regiment entgegengefahren war, marschierte mit, und zwar an der Spitze einer Kompagnie.
Zu den: Gottesdienst und dem im Freien gespendeten Soldatenessen strömte das neugierige städtische Publikum in Masse aus der Stadt zum Lagerplatz. Auch die beiden Ssawinskis waren da, nnd — am nächsten Sonntage machten mehrere junge Herren mit Fähnrichs- und Unterleutnantsepauletten ihre Visite bei ihnen. Von da an verging kein Tag, wo nicht zwei oder drei Offiziere auf kurze Zeit in der Wohnung erschienen wären, und an Feiertagen, an denen es kein Exerzieren gab, wimmelte es förmlich von ihnen. Ich wußte nicht, was ich denken sollte, und kam aus der Verwundruug gar nicht heraus. Wie war es möglich, daß sich diese Menge von Bekanntschaften so schnell angeknüpft hatte? Der bärtige Leutnant klärte mich nnf. Er machte neckend derbe Scherze über die Mntter, die so gastfreundlich sei, daß sie jeden, der sie grüße oder ein Wort mit ihr rede, ohne Bedenken einlade, sie doch zn besuchen. Der Leutnant schien gnr nicht erbaut zu sein von der zahlreichen Kameradschaft, blickte oft böse und fuhr auch gelegentlich recht unfein dazwischen, wenn die jungen Leute zu laut oder zu lustig werden wollten. Er schien ihnen bedeutenden Respekt einzuflößen, denn sie ließen sichs gefallen. Anfangs sah ihn freilich dieser oder jener erstaunt nn oder versuchte zu widersprechen; aber wenn der Leutnant dann die Stirn runzelte nnd den schwarzen Bart strich, sah er so entschlossen und drohend aus, daß der Widerspruch verstummte. Allmählich gewöhnten sie sich daran, ihn gewissermaßen als das die Ordnung wahrende Element im Hause zu betrachten.
Mascha, die sich in der ersten Zeit sehr zurückhaltend betrug, taute im Zusammensein mit den Altersgenossen immer mehr auf, wurde lauter und lebhafter, nnd ihr silberhelles Lachen mischte sich nicht selten in das beständige laute Gelächter der Jünglinge, die ihr in stürmischer Weise immer neue Huldigungen darbrachten. Sie sah nach solchen Ansbrüchen prüfend nnd scheu auf den Leutnant und mich. Er sah sie bei solchen Anläsfcn ernst an, und in seinem Gesicht ließ sich weder Lob noch Tadel lesen. Ich wnrde durch ihre zu große Lustigkeit freilich unangenehm berührt, doch mnßte ich mir gestchn, daß sie nie so hinreißend schön aussah, wie iu solchen Augenblicken. Es war ganz die Bacchantin Burins. Und zeigte sich, wenn sie die Augen auf mich richtete, der unnachahmliche bittende Ausdrnck in diesen, während die Lippen noch fortfuhren, zn lächeln, so war ich völlig entwaffnet und hätte gewünscht, sie stundenlang so nnd nicht anders vor mir zu haben. Irgend ein Gefühl flößte ihr die uniformierte Schar von Jünglingen nicht ein — das wurde mir bald klar. Es waren eben Altersgenossen, Spielkameraden.
Am schmerzlichsten empfand ich den Umstand, daß es mir gar nicht mehr ge-