Deutsch.preußische Airchenpolitil'
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Aber das sind mehr negative Mittel, das ist nur eine Abwehr kirchlicher Ansprüche im Interesse des Staats. Positive Leistungen müssen dazukommen, eine ehrliche, wohlwollende Förderung geistlich-religiöser Interessen unsrer katholischen Landsleute. Daß dies das ernste Bestreben des Kaisers und sein Persönliches Verdienst ist, das könnte nur ein Blinder leugnen, nur ein Tor ihm zum Vorwnrf machen. Er hat den Schutz der deutschen Kathvliken im gesamten Orient, allen französischen Protesten zum Trotz, kraftvoll übernommen, er hat bei seiner Anwesenheit in Jerusalem 1898, als er die protestantische Erlöserkirche einweihte, den katholischen Deutschen das ihnen heilige Grundstück der vorirrition cis la VierZiz geschenkt, er hat die Bischofsstühle von Metz und Köln nicht mit stolzen Hierarchen, sondern mit Seeleuhirten besetzt, er hat die gerade von der katholischen noch immer französierenden Geistlichkeit des Elsasses hartnäckig bekämpfte Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg erreicht nud damit dem Einfluß deutscher Wissenschaft auf die Bildung der katholischen Geistlichkeit eine Bahn geöffnet. Dies wird auch der inuertatholischeu Bewegung, die man als den „religiösen Katholizismus" bezeichnet, zugute kommen, und eben auf deren Fortschritte kommt es nicht zum wenigsten an, denn sie faßt, kurz gesagt, die katholische Kirche vor allem als Hcilsanstalt, nicht als ein Herrschaftsmittcl im Interesse der Hierarchie, und sie will den kränkenden, aber bisher nicht unberechtigten Borwurf wissenschaftlicher Jnferiorität von den deutschen Katholiken uehmen. Das ist zugleich der richtige Weg zu einer Annäherung, weniger der Konfessionen, als ihrer Bekeuuer, die doch alle religiösen Grundlagen gemeinsam haben und beide Deutsche, Bürger desselben Stantswesens, Söhne desselben Volkes sind. Darauf kommt es an, nicht auf die Propaganda der einen Kirche unter den Genossen der andern, die doch immer nur kleine Gruppen gewinnt und an dem Besitzstcmde beider im großeu uud ganzen nichts ändert. Anch die sogeuannntc Lvs-von-Nom-Bewcgung in Österreich hat sich bisher in bescheidnen Grenzen gehalten. Zu einem Abfall weiter Kreise bietet eben heute die römische Kirche unendlich weniger Veranlassung als vor vier Jahrhunderten, ein Luther wäre heute ganz unmöglich. Es ist deshalb töricht, wenn protestantische Blätter dem einen oder dem andern Führer des „religiösen Katholizismus," der sich der höchsten Glaubensautorität seiuer Kirche unterwirft, indem er anstößig bchmdne Sätze einer Schrift zurückzieht, daraus einen Vorwurf mnchcu und ihn wegen Mangel nn Überzeugungstreue verhöhnen. Wenn Männer wie Schell, Ehrhardt, Kraus das nicht täten oder getan hätten, so würden sie einfach aus ihrer Kirche ausgestvßcn worden sein, also allen Einfluß auf ihre Glaubensgenossen verlieren und doch dem Protestantismus nicht das mindeste nützen. In ihrer Kirche müssen sie wirken, nicht außerhalb.
Auf eius freilich werden die deutschen Katholiken viel energischer hinarbeiten müssen als bisher, auf die Verstärkung ihres Einflusses in der Zentralleitung ihrer Kirche, uud sie werden das um so freudiger und nm so wirksamer tun, je mehr sie sich als Deutsche fühlen. Gegenwärtig ist der einzige Vertreter des reichsdeutschen Klerns im Knrdinattolleginm, von dem hier nicht iu Betracht