Aus dein Lande der Lypressen
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Abbildung des dem Prinzen Ernst von Schönburg-Waldenburg gehörenden neuen Schlosses Gauernitz (an der Elbe) haben wir insofern nicht mit uns ins reine kommen töuuen, als wir sie für die Reproduktion eines Bildes halten möchten, während doch die Werte der Töne so richtig und alle Anordnungen, Licht, Schatten und Perspektive so schlicht und einheitlich sind, wie sie dem Künstler überaus selteu gelingen und von ihm meist auch als nicht „effektvoll" genug verschmäht werden.
Wenn Mctzsch den am Schlüsse des Buchs ausgesprochen Vorsatz ausführt, in einem zweiten Bande weitere erwähnenswerte Denkmäler der sächsischen Vorzeit zu beschreiben, so zweifeln wir nicht, daß anch dieser fernere Beitrag zur Chronik der sächsischen Schlösser und Bürgen dem Leserkreis, der sich für dergleichen interessiert, überaus willkommen sein wird. Ein Inhaltsverzeichnis, aus dem man ersieht, auf welcher Seite jeder einzelne Ort behandelt ist, steht zwar an der Spitze des jetzt erschienenen Bandes, aber wir möchten doch anheimstellen, ob es sich nicht empföhle, dem nächsten Bande außerdem noch ein das Nachschlagen erleichterndes Namen- und Sachregister beizugeben.
Aus dem Lande der (Lypressen
von Charlotte Niese
(Fortsetzung)
n Neapel wohne ich in einer Pension, die vier Treppen hoch, hart am Wasser liegt. Diese vier Treppen sind von schneeweißem Marmor und so breit, daß sie eines Palastes würdig sind. Aber die Räume oben sind klein nnd dunkel. Mein Zimmer hat nur ein Fenster, dessen eine Hälfte von einem Ofen eingenommen ist. Ein Ofen in einen:
_neapolitanischen Zimmer ist eine Seltenheit, und meine Vorgänger
hciben sich vielleicht darüber gefreut. Ich brauche nicht zu heizen, und das weit aus dem Fenster ragende Rohr übermittelt mir alle Geräusche des Hiuterhofes. Hier wird ewig Maudoline gespielt, gelacht, gezankt, getanzt. Der Gemüsehändler erscheint unten auf der Straße, und aus allen Fenstern werden kleine Körbchen heruntergelassen, in die er seine Ware legt. Er will aber immer zuvor das Geld hnbcn, ehe er seine Fenchelwnrzeln, Erbsen, Bohnen abgiebt; verlangen die Frauen mn Fenster zuerst die Ware, so giebt es lautes Geschrei, Verwünschungen und Steuerungen. Die Neapolitaner haben alle sehr laute Stimmen; die Frauen besonders thun sich keinen Zwang an. Wenn der Hirte mit seinen Ziegen kommt, gemächlich vier bis fünf Treppen hoch steigen können, um vor den Augen der Käuferin gemolken zu werden, beginnt wieder ein großer Lärm. Der Hirte wird ^schuldigt, eine gefüllte Wasserflasche im Ärmel zu haben und sie beim Melken retchlich zu verwenden. Er ruft eine Anzahl von Heiligen zu Zeugen an, daß er °en Gebrauch von Wasser überhaupt nicht kenne, und seine Gegnerin, eine Frau °m Fenster des fünften Stockwerks, bleibt ihm die Antwort nicht schuldig. Die uchtgsten bei dieser Unterhaltung sind die Ziegen, die sich durch kein Geschrei ans "rein Gleichmut bringen lassen, hier nu irgend einem Abfall knabbern, dort auf ^"^Hcmd in einem andern Hanse verschwinden. Dazwischen klingt dann wieder ^ Mandoline, nnd zwei kleine Mädchen üben sich in der Tarantella.
Ich sitze aber nicht immer an meinem kleinen Fenster; gelegentlich laufe ich urch einen schmalen, dunkeln Gang und stehe dann auf dem Balkon des Hauses. wc?s das Meer iu himmlischer Bläue; über dem Vesuv steht eine feine
ewe Rauchwolke, uud die Felsen von Capri beginnen sich rosa zu färben. Unter