Beitrag 
Doktor Duttmüller und sein Freund : eine Geschichte aus der Gegenwart : dreiundzwanzigstes Kapitel : worin es sich zeigt, daß ein Unglück nicht allein kommt
Seite
622
Einzelbild herunterladen
 

622 Maßgebliches »nd Uninaßgcbliches

Ich Weiß doch nicht, meinte Ellen. Ich finde es sehr gut, wenn ein Mensch etwcis gelernt hat. Wenn dann Not an Mann ist, dann kann man sich helfen. Und als einmal Onkel Felix hinzukam, sagte sie: Sehen Sie, Onkel Felix, das ist das Los von uns armen alten Mädchen: zusehen, wenn andre arbeiten.

Arm? erwiderte Wandrer; Tante Ellen, uur der ist arm, der sich selbst cmf- gicbt. Alt? nun ich meine, mit neunzehn Jahren hat es noch gute Weile bis zur späten Jungfrau.

Ja. Aber meine Zeit ist vorüber. Von jetzt an geschieht in meinem Leben nichts mehr. Man treibt sich als Tante bei wohlwollenden Verwandten herum, und dann wird man eingefangeu und in ein adliches Stift gesperrt, wie eine über­komplette Sache, die man in den Schrank stellt. Ach Onkel Felix, Sie haben es gut. Sie können von neuem anfangen, und wenn Sie den Boden unter sich ver­lieren, dann können Sie sich wieder aufrappeln. Aber wir armen Mädchen sind wie die Maikäfer, die ans den Rücken gefallen siud. Da hilft keiu Krabbelu, man kommt doch nicht wieder auf die Beine. Onkel Felix, freuen Sie sich Ihrer Freiheit.

Aber Tante Ellen, ich freue mich ganz und gar nicht darüber.

Und, Onkel Felix, binden Sie sich nicht, halten Sie sich die Hände frei, das ist mein aufrichtiger Rat.

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Rechtsstudium und die Realgymnasialabitnrienten. Bekanntlich ist in Preußen seit vorigem Herbst nicht nur das Studium der Medizin, sondern auch das Rechtsstudium den Abiturienten der Realgymnasien (und der Oberrealschulen) freigegeben worden. Während die erste Berechtigung allgemein geworden ist, be­schränkt sich die zweite znnächst auf Preußen. Da man aber doch preußische Realgym­nasiasten uicht Wohl vom juristischen Studium auf andern deutschen, außerpreußischen Universitäten ausschließen kann, so hat das sächsische Kultusministern!» für die Uni­versität Leipzig ihre Zulassung zum Studium genehmigt, nicht aber zu den Staats­prüfungen, die ja auch Praktisch fürNichtsachsen" (dieser schöne Name figuriert noch immer in der Leipziger Uuiversitätssprache, weil man sich immer noch nicht eutschließeu kann, die drei natürlichen Abteilungen zu bilden: Sachsen, andre Reichs­angehörige, Ausländer) kaum in Frage kommen. Während also Nealgymnasiasten, wenn sie nurNichtsachsen" sind, in Leipzig das Jus studiereu können, bleiben solche, wenn sie das Unglück haben, Sachsen zu sein, vom Nechtsstudinm der hei­mischen Universität ausgeschlossen, in Preußen aber würden sie zugelassen werden; nur daß bei den chinesischen Mauern, die deutsche Staaten noch immer um sich zu ziehn für zeitgemäß halten, wenn es sich um die juristische Vvrbereituug für den Staatsdieust handelt, selten eindeutscher Ausläuder" anderswo als in seinem Heimntstacit diese Staatsprüfungen bestehn wird. Das sind doch nnn offenbar unhaltbare Halbheiten. Wodurch haben die sächsischen Realgymnasien diese offizielle Degradation im Vergleich mit ihren preußischen Schwesteranstalten verschuldet? Und glaubt man denn in Dresden, in dieser Beziehung Sachsen als eine Insel behcmdelu und dem Laufe der Zeit auf die Dauer widerstehn zn können, nachdem der führende Buudesstaat für zwei Drittel der deutsche» Reichsangehörigen die alte Schranke niedergerissen hat? Ein solches einseitiges Vorgehn auf der eiuen, ein solches Zurück­bleiben ans der andern Seite legt den Gedanken an eine von gewissen Leuten so ge-