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Hermann Allmers
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Hermann Allmers

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Wohl zu würdigen weiß. Man begreift cmch, wie der Marschbewvhuer, der Niederdeutsche überhaupt, an dieser Landschaft hängt und an dein Dichter, der ihn so oft zur Liebe für die Heimat ermahut hat.

Hermaun Allmers wurde am 11. Februar 1821 geboren: das einzige Kind seiner Eltern. Er kam so zart auf die Welt, daß niemand glaubte, er werde am Lebeu bleiben. Dazu war sein Gesicht durch eine Hasenscharte sehr entstellt; man glaubte, es liege ein Uuglückskiud in den Windeln, und doch stand eine gütige Fee an seiner Wiege, die ihm verlieh, daß ihm sein Unglück zum Glück werden solle. Statt eines Marschcnbauers wurde ein Dichter aus ihm; statt eines Menschenfeindes eine Natur voll warmer Freundschaft und Hingebung, voll Güte und Opferfühigkeit; statt eines menschengemiednen Gries­grams ein von Vvlksliebe umfluteter Optimist. Für die Dorfschule schien er wegen seiner Zartheit und des Mundschadens ungeeignet. Man gab ihm einen Hanslehrer, uud später kam er zu einein Bremer Naturwisseuschafter, dem Konservator der Museumssammlungen, ins Haus. Seine naturwissen­schaftlichen Kenntnisse sind ein wichtiger Zug in seinem Wesen. Er hat sie später auf den Universitäten von Jena, Berlin uud München vervollständigt, sie waren wesentlich für seinMarschenbuch."

Schon in seiner Jünglingszeit entstanden manche hübsche Lieder. Doch sollten Reisen nach Mittel- und Süddcutschlaud bis nach Oberitalien seiuen geistigen Horizont sehr erweitern und auch das Samenkoru des Genusses und der Freude au der bildenden Knnst in sein Gemüt legen, das hernach so reiche Frucht trug. Im Jahre 1845 heimgekehrt beteiligte sich Allmers schon am litterarischen Leben in Bremen. Aufsätze nnd Gedichte erschienen, auch der Prächtige StndentengesangDort Saaleck, hier die Rudelsbnrg" entstammt schon dieser Zeit. Die politische Bewegung von 18-18 fand den stark für Freiheit uud Recht und in Teilnahme für die Unbegüterten und Bedrücktet: erglühenden Mann im Lager der äußersten Linken. Noch jahrzehntelang nachher grollte er, die Professoren hätten die Schuld, daß der Frühling nicht zum Sommer geworden sei. Er selbst widmete sich mit vollem Eifer den An­gelegenheiten seiner Gemeinde und wurde Deichhauptmann.

Mehr nnd mehr reifte in ihm der Entschluß, seine Marschenheimat der Welt in einem eignen Buche zu schildern. Er machte eingehendere Studien, geschichtliche,volkskundliche" (das Wort gab es damals noch nicht, aber diese Wissenschaft verdankt Allmers wirklich viel), auch was das wirtschaftliche Leben der Marschenbewohner angeht. Er durchreiste das ganze Gebiet, uud da er die allgemeinen Kenntnisse hierfür gleichsam mit der Muttermilch eingesogen hatte, so faud er überall das Spezielle und Charakteristische schnell hercms. Er hatte einen merkwürdig offneu Blick dafür. Daraus erwuchs dann sein »Marschenbuch,"*) das ihn zuerst in weiten Kreisen bekannt gemacht hat. Es ist eine der frühsten Leistungen heimatlicher Volkskunde, anch eine der besten, wenn man die eigentliche Geschichte ausscheidet, denn für Quellenkritik hatte

Marschenbuch. Land- und NoWbilder aus den Marschen der Weser und Elbe. Vierte, durchgesehene Auflage. Oldenburg, Schulzesche Hofbuchhandlung, 1902.