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Mas wir lesen Z5

auch noch zu einemTraumspiel" mit Musik für Erwachsene verarbeitet und im Kölner Theater aufgeführt worden, etwas Mittleres also zwischen Maeter­linck und Überbrettl, damit es wenigstens die Großen genießen könnten, wenn sie es denn wirklich für ihre Kinder ablehnten. Das findet eine Zeitung, die das Bilderbuchwüscht" nannte, entzückend, womit sie den Theaterbesuchern aus der Seele gesprochen haben wird; ob diese nnch Kiuderklappern und Saug- flaschen bei sich gehabt haben, wird nicht gemeldet.

Wir erfahren ferner aus dem Prospekt, daß der Fitzebutze schon in seiner erste» Gestalt als bahnbrechende Leistung von der pädagogischen Kritik begrüßt worden ist. Der Hamburger Prüfuugsausschuß für Jugendschriften hat näm­lich vor der Drucklegung die Wirkung sämtlicher Gedichte und Bilder durch den Lehrer L. au dessen siebenjährigen Schülern erproben lassen, uud dein überaus beifälligen Gutachten dieses Fachmanns schlössen sich dann noch weitere an usw. Wunderbar, höchst wunderbar, nicht wahr? Das klingt nach etwas: die" pädagogische Kritik,der" Fachmann. Das ist das, was Taine in seinem Werke über Napoleon einmal kurz und sehr schönden Verlnst der unmittelbaren Anschauuug der Dinge" nennt. Wir umgebeu uns mit einem Schwall vou Ausdrücken, die immer abstrakter werden, die immer weiter von der Erfahrung abrücken, von dem Menschlichen und Lebeudigen, das hinter ihnen steht, uud die darum immer leichter irre führen, immer weniger geeignet sind, von dem Wesen, das sie bezeichnen sollen, eine Vorstellung zu gebeu. Braucht denu das erst festgestellt zu werdeu, oder beweist es andrerseits irgend etwas, daß siebenjährige Kinder ein Bilderbuch amüsanter finden als den Unter­richt ihres Lehrers L.? Aber die Anwendung einer feierlichen Terminologie macht jede Posse zn einer Staatsaktion. Überhaupt, wenn das Wichtigthnn nicht wäre!Prüfungsausschuß für Jugendschriften," das giebt Vertrauen, so eiu Gefühl vou Sicherheit, wie Milchkontrolle oder Nahrnngsmittelverfälschnngs gesetz. Und damit tastet sich dann das liebe gebildete Publikum geduldig cm seiner Nebelwand von abgezognen Begriffeil weiter und kauft, was es soll.

Wir gönnen jedem Menschen den Fitzebutze, den er verdient, können aber diesen hier selbst beim besten Willen nicht naiv finden, wir sind so aufrichtig zu sagen, daß wir z. B. die ganz anspruchslosenSprechenden Tiere" für etwas besseres und gesunderes halten, auch wenn die kleinen Hamburger Ver­suchskarnickel sie uicht ganz so amüsant gefunden haben sollten. Geradezu lächerlich kommt es uns aber vor, wenn sich die gestelzte, gespreizte Schnl meisteret über diese Dinge hermacht, wenn z. B. ein Bnch, wie wir eben in einem andern Prospekt lesen,ein Versuch sein will, die Vvlksschulpädagogit in den Bildungszielen wie in der Unterrichtsmethode auf die Basis der modernen Kultur zu stelle», d. h. unsrer Zeit der Sozialreform entsprechend zn gestalten." Den Gymnasiallehrern wirft man seit Jahr und Tag vor, daß sie der Jugend ihre Lust verleiden, die Elementarlehrer dürfen sich mit Hilfe dieser sogenannten Ästhetik gebärden wie halbe Professoren, und dieses allgemeine Gerede von unsrer Modernen Kultur fängt nachgerade an unheimlich zu werden. Wir werden von nun an auch eine illustrierte Zeitschrift haben, dieDer Junge" heißt (Berlin, Ludwig Traube). Wie lange, das weiß man freilich nicht, denu die