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Englands also eher schwächen als stärken, ganz abgesehen noch von Indien, das keine Kolonie ist, sondern eine Besitzung und zu seiner Verteidigung den besten Teil des englischen Heeres verlangen würde.
In der Richtung auf eine Abschwächung der britischen Übermacht hin hat sich auch die politische Entwicklnng des abgelnufnen Jahres bewegt. Der Krieg in Südafrika, der dort Englands varanumnt xovsr begründen soll, wird dieses Ziel vielleicht erreichen, aber er hat England in dein Maße gelähmt, daß es auf allen andern Schauplätzen der überseeischen Politik im Zurückweichen ist. Die Position der Vereinigten Staaten auf den Antillen und auf den Philippinen ist unangreifbar geworden; sie beherrschen damit alle Zugänge zum mexikanischen Golf, also zu Mittelamerika, uud uehmcn eine dominierende Stellung im Großen Ozean ein, sie werden auch den interozeanischen Kanal, sei es durch Nikaragua oder bei Panama, wirklich bauen, also ihre Aktionsfähigkeit geradezu verdoppeln. Diesem raschen Vordringen gegenüber ist England ohnmächtig, schon weil es bei jedem Konflikte mit der Union für Kanada fürchten muß, das es gegen sie nicht behaupten könnte. „Amerika den Amerikanern!" In Asien steht es kaum besser. Im nördlichen China hat England die Festsetzung der Russen ruhig hinnehmen, für Südchina den Grundsatz der offnen Thüren annehmen müssen, statt es ausschließlich in seine Interessensphäre zu verwandeln, es kann Deutschlands Ausbreitung in Schcmtung nicht hindern, uud die sibirische Bahn ist so gut wie fertig. Sie mag für den Welthandel noch geringe Bedentnng haben, aber sie sichert den Russen eine schnelle Verbindung mit dem äußersten Osten und erlaubt ihnen, dort jede beliebige Truppenzahl zn versammeln, ohne daß England das stören könnte oder auch nur zu erfahren brauchte. Kurz, mit dem englischen Übergewicht in Ostasien ist es augenscheinlich vorüber. In Erwügnng solcher Möglichkeiten scheint Japan Neigung zu haben, sich mit Nußland direkt zu verständigen, da es von England nicht mehr viel zu erwcirteu, von Rußland sehr viel zu fürchten hat; denn umsonst ist der frühere Minister Marquis Jto nicht soeben in Paris, Petersburg und Berlin gewesen. Chiua selbst aber scheint sich nach der schweren Krisis, in die es von der reaktionären Partei gestürzt worden war, den fremden Knltureiuflüssen weiter offnen zu wollen, und es könnte, falls es sich namentlich militärisch kräftigte, was es doch nur zu wollen braucht, ein selbständiger Faktor werden, mit dem man rechnen müßte. Den Russen in Zentralasien in den Weg zu treten, darauf hat England längst verzichtet, und eben beginnt dort Nußland den Bau der großen Eisenbahn von Orenburg nach Taschkend, die ihm dereinst ermöglichen wird, binnen wenig Tagen aus dem Mittelpunkte des Reichs Truppen bis an die Grenze Afghanistans und Persiens zu werfeu, ein Seiteustück zur sibirischen Bahn. Ebenso weicht in Persien der britische Einfluß vor dem russischen rasch zurück, und die Eisenbahnen dort wird Rußland baueu, auch die bis zum Persischen Golf.
Somit beginnt sich in Asien schon heute eine Art Gleichgewicht der Weltmächte auszubilden, wie es in Afrika der Gebietsverteilung nach schon vorhcmdeu ist, seitdem sich Deutschland im Westen und im Osten festgesetzt, Frankreich sich die größere Westhälfte Nordafrikas gesichert hat, und der Kougostaat besteht,