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Das war möglich, weil Preußen den Waffen seiner Nachbarn nicht gewachsei, war. In Südafrika ist etwas ähnliches, wie die Eroberung der Schweiz für uns wäre, die Eroberung der Burenrepubliken, für England möglich, nicht weil es das bessere Recht hätte, sondern weil es die See beherrscht und für die Waffen seiner Nachbarn unerreichbar ist. So lange diese Übermacht ungeschmälert besteht, so lange wird in den überseeischen Verhältnissen die jetzige Barbarei des Völkerrechts bestehn.
Aber diese Übermacht ist allerdings im Rückgänge. Der Anteil Englands am Welthandel ist freilich immer noch größer, als der aller andern Völker zusammengenommen, aber prozentual nimmt er ab, und der Anteil der andern steigt rasch, und Deutschland ist heute, wenn cmch noch in weitem Abstände von England, die zweite Handelsmacht. Die englische Kriegsflotte ist noch heute jeder Koalition gewachsen, und sie wird und kann es bleiben, soweit die Zahl der Schiffe in Frage kommt; aber woher sie zuletzt, da England keine allgemeine Wehrpflicht kennt, die Bemannung nehmen soll, das weiß man dort wohl selbst nicht, und die Flotten der andern Mächte wachsen ebenfalls unaufhaltsam. Nur im Entschluß der Nordamerikaner liegt es, eine Kriegsflotte zu schaffen, die gegenüber der englischen die See halten kann; die französische steht längst an der zweiten Stelle, die deutsche, italienische, russische, japanische Marine kommen rasch in die Höhe, und nn Bemannung kann eS ihnen allen niemals fehlen, denn alle diese Länder haben längst die allgemeine Wehrpflicht. Vor vierzig oder fünfzig Jahren gab es von allen diesen Flotten zweiten Ranges nur die russische, uud diese mußte sich während des Krimkricgs vor der englisch-französischen Übermacht unthätig in ihre Häfen einschließen oder zerstört werden. Kurz, heute besteht zwar noch die englische Übermacht zur See, aber keineswegs mehr die englische Alleinherrschaft. England beherrscht nach wie vor durch seine Kolonien und Besitzungen alle Seewege, uud wenn englische Blätter gelegentlich spöttisch hervorhoben, die deutschen Truppen uud Schiffe hätten ohne die Benutzung englischer Häfen gar nicht nach China gelangen können, so war diese Bemerkung für uns nicht angenehm zn hören, aber richtig. Es ist so; die Engländer könnten uns in jedem beliebigen Augenblicke, wenn sie uus etwa Gibraltar, den Suezkanal, Aden, Colombo, Singapur sperrten, von unsern Truppen in China und unsern Kolonien gemütlich abschneiden. Auch ist das englische Element dnrch erfolgreiche Kolonisation in Kanada, Südafrika, Australien auf dem Boden dreier Kontinente so festgewurzelt, daß es als weltbeherrschende Kulturmacht gar nicht mehr erschüttert werden kann, nicht einmal in dem Falle, daß die Kolonien sich von England politisch ablösen sollten, und nichts liegt heute ferner, als eine solche Möglichkeit, da im Gegenteil das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit dem Muttcr- lcmde heute stärker ist als je. Aber ob das militärisch für England viel zu bedeuten haben würde, ist doch sehr die Frage; im Falle eines großen allgemeinen Kriegs würdeil die englischen Koloniallande mit ihrer dünnen Bevölkerung und ihrer völlig unzureichenden Wehrverfassung den Schutz des Mutterlands in einem Grade brauchen, daß die englische See- und Landmacht über alle Meere zersplittert werde» müßte, sie würden die Widerstandskraft