304 Die wohmmgs- und Bodenpolitik in Großberlin
über die Anständigkeit und Unanständigkeit gewinnbringender Geschäfte lieber ganz bleiben lassen, aber um so mehr sein gutes Recht gebrauchen, den einzelnen Millionengewinner, der eiuem iu den Weg kommt, je nach der sittlichen Qualität seiner persönlichen Handlungsweise und der Verwendung des gewonnenen Reichtums als einen guten oder als einen schlechten Kerl zu behandeln, mag er Graf oder Geheimer Kommerzieurnt, Jude oder Christ, Berliner Banplntzhäudler, Zeitnugsverleger oder Herrschaftsbesitzer sein. Wenn sich doch unsre Sozialrefvrmcr in Berlin, von Stöckcr bis auf die allerneusten, nicht gar so sehr voll den Millionen der Parvenüs imponieren ließe»! Ihre ganze Auffassung der sozialen Verhältnisse wird dadurch getrübt, und ihren Refvrmvorschlägen viel zu sehr der Charakter des ÜAto verlieh», was doch auch nicht vornehm ist.
Auf keinen Fall darf uns der Ärger über die großen unverdienten Gewinne der Berliner Gruudstückspekulauten in den beiden letzten Jahrzehnten verleiten, die Spekulation überhaupt und damit zugleich die ganze bisherige Gmndeigentllmsordnung und privatwirtschaftliche Befriedigung des Wohuungs- bedürfnifses als die Hauptsache, die abzustellen ist, zu behandeln, die riesige Bevölkerungszunahme aber als eine Begleiterscheinung, zu deren Abstellung selbständig keine Maßnahmen zu treffen wären. Und noch weniger sollte uns der Zorn über diese Gewinne und die irrtümliche Annahme, daß sie allein oder hauptsächlich die Arbeiter in ein unerträgliches Wvhnnngselend gebracht hätten, verleiten, nun aus öffentlichen Mittel» die großstädtischen Arbeiter und zugleich ihre Arbeitgeber mit idealen Arbeiterwohnungen zu „Mindestpreisen" zu beschenken und so die Konzentration der Industrie in der Großstadt noch zn fördern. Am allerwenigsten aber darf das als eine kommunale Aufgabe der Großberlin bildenden Stadt- und Landgemeinden anerkannt werden.
Leider haben wir keine ausreichende Statistik über die Zunahme der groß- industriellen Unternehmungen der Zahl und dem Umfang nach in Berlin und den Vororten, und es kaun Wohl auch nicht erwartet werden, daß uns die Zusatz- fragcn, die in den beteiligten Gemeinden bei der letzten Volkszählung über den sehr wichtigen Unterschied der Wohngemeinde von der Arbeitsgemeinde gestellt worden sind, die nötige Aufklärung über den Bestand an solchen Unternehmungen im Dezember 1890 verschafft haben. Das Ergebnis dieser Zusatzfragen ist, soviel wir wissen, noch nicht veröffentlicht worden. Wir werden dadurch wahrscheinlich bestätigt finden, daß in Rixdvrf und andern Arbeitervororten sehr viele Arbeiter wohnen, die in Berlin ihr Brot verdienen, ohne der Stadt Berlin durch Ansprüche an die Schule, Armenpflege usw. zur Last zu fallen. Man wird Wohl auch erfahren, daß ebenso in Berlin eine ganz beträchtliche Anzahl vvn Arbeitern ansässig ist, die in industriellen Großnnter- nehmungen der Vororte arbeiten. Die Bilanz, die dabei herauskommt, interessiert hier nicht, mag sie im Sinne einer gerechten Lastenverteilung noch so lmerwünscht ausfallen. Uns kommt es auf die in Grvßberlin unnötiger- nnd uuklugerweise zusammengehäuftc Masse von Arbeitsgelegenheit an. Leider ist Paul Voigt nicht dazu gelangt, diese Frage durch seiue archivnlisch-statistischen