Beitrag 
Pancratius Capitolinus : ein Heldengesang in Prosa :
(Schluß)
Seite
571
Einzelbild herunterladen
 

Pancratius Lapitolinus

571

und in den Hvf des Burghauses zu flüchten versuchten. Ehe sie jedoch das Hofthor zn schließen vermochten, drangen cinch die Verfolger ein, vertauschten die Holzprügel mit Spaten, Mistgabeln und Pflugscharen und richteten unter allen, die sich nicht eines Pferdes zu bemächtigen und durch eine Seitenthür der Scheune ins Freie zu gelangen vermochten, ein furchtbares Blutbad an. Etwa vierzig, unter diesen Leutnant Saint-Lambert und zwei andre Offiziere, entkamen, erreichten unangefochten die Landstraße und sprengten in gestrecktem Galopp nach Brohl hinunter, wo sie sich mit andern Abteilungen der Rhein- und Moselarmee vereinigten.

Als Martinchen, der sich seiner friedliebenden Gesinnung gemäß des Kampfes enthalten hatte, die Wendung der Dinge bemerkte, schleuderte er Pistolen und Säbel von sich, warf die Jakobinermütze zur Erde und trampelte darauf herum, als ob er mit dieser unschuldigen Kopfbedeckung zugleich die ganze Revolution vertilgen könne. Die Banern zeigten für diese Symbolik wenig Verständnis, sie hatten am Blutvergießen Geschmack gefunden und waren in der Wahl ihrer Opfer durchaus nicht heikel. Schon wollten sie dem armen Flachskopf, diesem kümmerlichen Reste der Fremdherrschaft, zu Leibe gehn, als zu seinem Heile Pancratius auf der Bild- flttche erschien, den Zwerg beim Gürtel ergriff und ohne weiteres auf seine breite Schnlter setzte. Es war ein unvergleichlich schönes und erhebendes Bild: der sieg­reiche Held, an dessen breite Wange sich die Taube des Friedens schmiegte. Wo unser großer Freund sich sehen ließ, scholl ihm der Jubel der Menge entgegen. In dieser Stunde empfand er, was es heißt, der Retter des Vaterlands, der Lieb ­ling seines Volks zu sein. Seine Hoffnung war in Erfüllung gegangen, der Name Paneratins Sackmann glänzte nun mit nuauslöschlicheu Lettern in den Büchern der Geschichte.

Wir lesen in den Überlieferungen römischer Historiker, daß bei den feierlichen Triumphzügen der siegreichen Feldherren auf dem Prunkwagen des Triumvhcitors ein Mann zn stehn Pflegte, dessen Aufgabe es war, dem Gefeierten allerlei Daten aus der vbroniqno semulillouss seines Lebens zuzuraunen und die Pausen im Jubel­geschrei der begeisterten Menge mit sinnigen Andeutungeu über menschliche Schwächen im allgemeinen und im besondern auszufüllen. Man sah wohl nicht mit Unrecht in dieser merkwürdigen Einrichtung ein Präservativmittel gegen den Größenwahn, der keineswegs nur eine Berufskrankheit der Subalternbeamten, Bureauvorsteher und ähnlicher Leute ist, sondern auch die Männer des Schwertes und der Feder nicht verschont.

Auch dem triumphierenden Pancratius hatte das vorsorgliche Schicksal einen solchen Zurauner beigegeben. Sehen konnte man ihn freilich nicht. Es war nur die Stimme in seinem Innern, die ihm ohne Unterbrechung die Worte zuflüsterte: Du hast nach ihrer Pfeife getanzt!

Und dieser Stimme gelang es, dem Sieger den Triumph gründlich zu ver­gällen. Aus deu Jubelrnfen der Menge, aus dem Klang der Kirchenglocke, die jetzt zur Siegesfeier geläutet wurde, sogar aus dem Gebrüll der Kühe und dem Blöken der Schafe glaubte er immer nur das eine zu vernehmen: Du hast nach ihrer Pfeife getanzt!

Martinchen, der längst wieder auf eignen Füßen stand und als Paneratiussens Schützling jetzt allgemein respektiert wurde, versuchte den Freund aufzuheitern. Umsonst! Er hörte kaum zu, fragte jedoch, was er, der Flachskopf, jetzt zu thun gedenke, und bestärkte ihn in seinem Vorsatz, über Wassenach und Mayen nach der Mosel zu wandern, wo er sein Leben ruhig zu beschließen und seine Kräfte ganz den Wissenschaften widmen zu dürfen hoffte. Das war dem Riesen lieb. Er hatte im geheimen gefürchtet, der Kleine hege die Absicht, die Gastfreundschaft der Schweppenburg in Anspruch zu nehmen und ihm so als ein lebendes Andenken an die Tage des Ruhms und der Schmach auf unabsehbare Zeit vor Augen zu bleibe».