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Altes und Neues aus der Normandie : (Fortsetzung) : Rouen
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Altes und Neues aus der Normandie

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Wie damals, so durchstreifte ich nuch jetzt mit Entzücken die herrliche Stadt Runen, Die beiden quer durch die Stadt führenden Hauptstraßen bestanden schon vor dreißig Jahren, nach dein Vorbilde Hcmßmanns in Paris hatte die Stadt Rouen alte, nngesnnde Gassen und Gußchen durchbrochen nnd zwei prächtige Ver­kehrsadern mit schönen Läden geschaffen. Nnr die Namen hatten gewechselt, ans der Ruo imxsrialo war die Ruo clo Ii>> Ropudli^ue., aus der lius äs l'iwxsiÄtrillo war die Ruo ^omins ä'^re geworden. Die Brücken über die Seine, die meiner Erinnerung nach Orauä ?ont und ?ont Nsuk hießen, sind in l^ont Lornoillo und ?ont Zoiolclisu zn Ehren dieser beiden großen Bürger der Stadt umgetauft worden. Aber, wie eiust, waren noch die malerischen Thore und Durchgänge, durch deren dunkle Wölbungen man die erleuchtete wichste Straße sah, wie einst zogen sich zwischen den Hauptstraßen die gewundnen Gassen mit altersschwachen Hänsern hin, auf deuen sich die Patina von Jahrhunderten angesetzt hatte, wie einst standen noch die Bauten aus den Zeiten der Gotik und der Renaissance, die Kathedrale, die Kirchen St. Ouen und St. Mnclou, der Turm der HwWo-HorloZ'e, das 1ISW1 clu Lom-Atnoronlcio, das ?a1ius äs Mstieo und die Prnnlgräber des Marschalls de BrLze' und der Kardinäle d'Amboise. Eine Schilderung von diesen Meisterwerken der Gotik und der Renaissance zu geben hat für den, der sie nicht gesehen hat, wenig Zweck, da eine Schilderung ihm doch keine Vorstellung von ihrer Schönheit verschaffen würde, wer aber diese Bauteu einmal gesehen hat, vergißt sie nie wieder. Aber das Gesamtbild, das da­durch geschaffen wird, kann auch einem Leser vor Augen geführt werden. Rouen liegt an einer Stelle der Seine, wo diese einen mächtigen Bogen nach Norden macht, und zwar an der äußern Seite des Bogens. Das Platecm fällt an dieser Stelle sanft nb und läßt genügend Raum für die Stadt von 110090 Einwohnern. Die Uranfänge gehn iu die gallischen Zeiten zurück, als Rotvmcigns bestand sie schon zu Cäsars Zeiten. Ihr Entsteh» verdankt sie zweifellos dem Umstände, daß die Meeresflut bis hierher aufsteigt und die Schiffe mühelos landet. Es war also, uni mich modern auszudrücken, der natürliche Umschlagshafen für den Austausch der See- uud Landfrnchten. Bevor die großen Dampfer entstanden, war die Nor- mannenhanvtstadt also eine richtige Hafenstadt, obgleich die Seine erst hundertund­dreißig Kilometer uuterhnlb in die See mundet. Auf nnd an de» Quais zu beiden Seiten der Seine sind auch jetzt noch viele Zeichen des Schiffsverkehrs, die Matrosen­kneipen, die Warenstapel, die Ladekräne und Speicherräume. Aber der Haupt­seeverkehr hat sich uach le Hävre gezogen, der erst seit vierhundert Jahren bestehenden Schöpfung Ludwigs XII. Trotzdem ist noch viel Leben auf den Quais, da Rouen das französische Manchester geworden ist. Zwei Drittel der gesamten Banmwollen- produkte Frankreichs werden in den Vvrorteu uud Nachbarorten von Nonen fabriziert, die Einführung der Rohstoffe und die Ausfuhr der Fabrikate geschieht vou hier aus, sodaß dadurch der mittlere und der kleine Schiffsverkehr festgehalten wird. Von diesen Quais hat man eine weite, herrliche Landschaft vor Angen. Die hohen Felsen von Bonsecour schieben sich auf der einen Seite wie eine Kulisse gegen den Fluß vor. Ans der Spitze steht die im Stil des dreizehnten Jahrhunderts aufgeführte neue Wallfahrtskirche Bonsecours, eiu Werk, das Millionen gekostet hat und durch seine Lage einen imponierenden Eindruck macht. Der Strom am Fnße teilt sich und giebt zwei Inseln Raum, die sich mit ihren Baumbeständen bis zum ?ont Lornkills ziehn. Daun kommen die mit Restaurants, Cafe's und Läden besetzten Quais, und auf dem andern Ende schließen die Berge von Cautelen, die teilweise mit Wald bedeckt sind, den Blick ab. Gegenüber der Stadt auf der andern Seite der Seine liegt eine Vorstadt. Geht man dorthin und wendet sich um, so sieht man die Stadt Rouen aufsteigen, wie ein Rieseuamphithenter. Nnd über die Dächer der Häuser hinaus ragen die zahlreichen Türme der Kirchen, vor allem die lnftige