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Sinne zugeführten Erfahrungsstoff nicht übereinstimmend ordnen, es nicht zn einem gemeinsamen höhern Geistesleben bringen könnte. Mit einem Wort: das Erkennen und das Denken setzen ein nach unabänderlichen Gesetzen erkennendes und denkendes Wesen voraus, das schon da ist, ehe ihm die Sinne den Denkstosf zuführen.
Mit meiner kurzen Wiedergabe seiner umfangreichen Abhandlungen über den Apriorismus wird Liebmann schon aus dem Grunde nicht zufrieden sein, weil ich seinen und Kants beiden Stufen apriorischer Erkenntnis als dritte oder vielmehr erste Stufe die unterste: die sinnliche Wahrnehmung angefügt, und weil ich von der Seele gesprochen habe, die er, als ein bloß hypothetisches Wesen, von der kritischen Untersuchung ausgeschlossen wissen will. (Obwohl er Seite 251 bemerkt: „Macht man den Versuch, die Urthatsache des Bewußtseins unter einen logisch-metaphysischen Grundbegriff zu subsnmiercn, so ist es nicht wohl auders denkbar, denn als Funktion eines fungierenden, iu spsois vorstellenden nnd erkennenden Subjekts.") Anstatt mein abweichendes Verfahren zn rechtfertigen, will ich lieber zur Beleuchtung des Gegenstands aus seiner Darstellung ein paar Stellen wörtlich anführen: „Das Apriori, d. h. die Vernunft nn und für sich, läßt sich deshalb nicht wegphilosophieren, wegdisputieren, besonders aber nicht weginduzieren, weil alles Philosophieren, jede Disputation, und so auch jede Induktion unmöglich sein würde, ohne Zugrundelegung allgemeiugiltiger Fundamentaltvnhrheiten, Anerkennung sakrosankter Denkprinzipien und Befolgung gewisser Gesetze, nach denen eben gedacht, beobachtet, erfahren, induktiv geschlossen wird und werden soll — unmöglich also seiu würde ohne Apriori; ebenso unmöglich, wie ohne normales Auge ein richtiges Scheu, ohne instinktive Anerkennung der Regeln der Grammatik oder Harmonielehre ein richtiges Sprechen oder Komponieren. Wenn mir jemand die Versicherung gäbe, ihm sei ein Rezept bekannt, nach dem man aus einer tauben Nuß den Nußbaum hervorwachsen lassen, oder in einem Windei das Küchlein ausbrüten, d. h. das gesetzlich Bedingte ohne die gesetzliche Vorbedingung ins Werk setzen könne, so stünde dies nn Glaublichkeit auf gleicher Rangstufe mit dem Kunststückchen des Mephistvpheles in Auerbachs Keller. Ganz in diesem Falle aber befindet sich ein Philosoph, der die menschliche Seele als wbutg. rasa ansieht und daraus ohne Apriori durch Währ- uehmungen allein die menschliche Intelligenz hervorzaubert, oder der uns ein- redeu will, eine Marmorstatue werde, wenn sie riechen, schmecken, sehen, fühlen und hören könnte, dadurch zugleich das Vermögen des Aufmerkeus, Urteilens, Schließens und Denkens von selbst erhalten. Ich verstehe es und stimme natürlich bei, wenn man behauptet, daß aus der wohlausgebildeten, vollwichtigen Nuß ohne Hinzukunft äußerlicher Lebensbedingungen wie Humus, Wärme, Licht und Feuchtigkeit nimmermehr ein Nußbaum hervorsprießeu, sondern der Kern vertrocknen würde, und daß im unbebrüteten Ei kein Embryo entspringen und zum lebensfähigen Hühnchen heranwachsen würde; aber ich finde es rundweg absnrd, wenn man mit reichlichem Bcgießen aus der tauben Nnß