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Einige Lebensbeschreibungen
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Einige Lebensbeschreibungen

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stimmung mit uns meint Kalthoff, dem Reifen nütze die Lektüre Nietzsches (aber welche Lektüre, überhaupt welcher Einfluß nützt dem Reifen nicht?), für den Unreifen sei sie Gift. Der Erwägung wert scheint, was er von Nietzsches Wahnsinn sagt. Wolle man die Einwirkung seiuer Krankheit auf sein Schaffen versteh», so müsse man nicht nach Wnhnsinnsspuren in seinen Schriften suchen, sondern bedenken, daß der Druck, der auf ihm lag, Gegendruck erzeugt hat, uud daß, je heftiger die Pein wurde, er sich um so energischer dagegen ge­wehrt und desto toller um sich geschlagen hat.

Ein Lehrbuch der Logik, vielleicht auch eine Geschichte der Metaphysik kann man schreiben, ohne etwas von seiner Persönlichkeit hineinzulegen, ja ohne eine Persönlichkeit zu sein; eine eigne Philosophie kann man nur aus der eignen Persönlichkeit heraus schaffen, und darum werden die Bücher eines solchen Philosophen immer das Interesse für den Verfasser wachrufen; deshalb find Lebensbeschreibungen eines Lotze, eines Schopenhauer ein Bedürfnis. In noch höherm Grade ist das bei Dichtern der Fall, und daraus erklärt sich der Unfug, zu dem die Goetheforschung ausgeartet ist. Lebensbilder der Frauen, die ihm nahe gestanden haben, kann man noch nicht zum Uufuge rechnen, und da, was Goethen recht ist, die andern Dichter als billig für sich in Anspruch nehmen können, so lag es ziemlich nahe, ein ganzes Bündel Dichter zusamnien- zunehmen und zu untersuchen, welchen Einfluß Frauen auf sie geübt habeu. Einen Anfang zu diesem Unternehmen hat Otto Berdrow gemacht mit seinen Frauenbildern aus der neuern deutschen Litteraturgeschichte (mit elf Bildnissen in Lichtdruck. Stuttgart, Greiuer und Pfeiffer). Kritisch angelegte Geister werden vielleicht finden, daß die einen der Frauen, die er ausgewählt hat, schon bekannt genug, die andern einer ausführlichen biographischen Behandlung nicht beson­ders würdig, uud daß noch andre mehr von ihren Dichtern beeinflußt als von Einfluß auf sie gewesen seien, aber wir wollen nicht kritisch sein, wollen den Lesern und Leserinnen das Vergnügen nicht verderben, das ihnen Berdrow bereitet hat; er ist veranlaßt worden,' von dein 1895 erschienenen Buche voriges Jahr eine zweite Auflage herauszugeben, in der er die allzudüstern Gestalten der Günderode und der Ulrike von Kleist durch die Gattinnen Schillers und Vossens ersetzt, außerdem die .Klettenberg und die Paalzow beigefügt hat, sodaß er diesesmal vierzehn Engel in die Studierstuben entsendet; denn für ernste Männer und Frauen, nicht für unreife Mädchen will er geschrieben haben.

Wenn wir eine Musterung der Gestalten, die er uus vorführt, mit der Frau anfangen sollen, die wir am höchsten schätzen, so müssen wir Emma Uhland nennen, und da fallen uns denn gleich zwei bekannte Sprüchlein ein: daß sich von den allerbesten Frauen am allerwenigsten sagen lafse, und daß in der Göttlichen Komödie nur Hölle und Fegefeuer unterhaltend seien, der Himmel dagegen langweile. Obwohl sich die wackere Frau Uhland selbst ein wenig mit Litteratur befaßt, eine Lebensbeschreibung ihres Gatten heraus­gegeben hat, muß sich Berdrow, um eine Biographie von ihr zusammenzu­fügen, an diesen halten, sodaß man die Skizze betitelt, könnte: Augenblicke c>us Uhlands Leben, in denen er seiner Fran zu gedenken besonders Vercm- u^ung h^K. Nach ihr möchten wir der Ernestine Boß die Palme reichen, die ihr Gatte seine Muse zu neunen allen Gruud hatte. Auch hier ist mehr vom gemeinsamen Haushalt und von gemeinsamen Sorgen, als von der Frau bcsouders die Rede. Die Beschreibung dieses bescheidueu Hanshalts, nament­lich in der ersten Zeit der Ehe, liest man mit Vergnügen in unsrer anspruchs­vollen Zeit. Eigentlich war es anfänglich gar kein Haushalt. Sie aßen bei