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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Genossenschaften, von der man überall nnd anch in der Provinz Brandenburg noch weit entfernt ist, beruht, Die gleitende Zvllsknla scheint das natürlichste Mittel zu sein, um die Gctreidcpreise auf einer mittlern Höhe zu erhalten uud vor starken Schwankungen zu bewahren. Trotzdem ist sie von der Wissenschaft so gut wie aufgegeben uud wird auch von Prnllikern lnnm noch gefordert, Ur, Max Grabein beweist nun iu seiner Broschüre: Die deutschen Getrcidezölle der Zukunft (Berlin, Puttkammer nnd Mühlbrecht, 1900), daß die Umstände, die früher in England und anderswo die Versuche, deu Zoll deu Preisschwankungen anzupassen, haben verunglücken lassen, bei der heutigeu Verkchrstcchnik nicht mehr vorhanden sind, und zeigt, wie eine solche Verzollung eingerichtet werden könne.

Von einer sehr viel höheru Warte aus überschaut der phantasievolle vr, Gustav Nuhland, Professor der politischen Ökonomie in F-reiburg in der Schweiz, die Agrnrnöte und die Welt, die er ans Liebe zur Landwirtschaft uner­müdlich durchreist, Iu einer Schrift, die sensationell wirken dürfte, weun sie nicht schon so gewirkt hat: Die iuteruntiounle landwirtschaftliche Konkurrenz eiu kapitalistisches Problem (Berlin, Ernst Hofmann u. Co,, 1901), weist er nach, daß es nicht die Landwirte des Auslands sind, die eine so verderbliche Kon- knrrenz verschuldet habe», soudern die Großkapitalien, die durch Anlegung von Eisenbahnen und Nieseufarmen immer ein Land nach dem andern erschlossen haben, zuerst Nordamerika, dann Argentinien; uud unu drohe der deutscheu Landwirtschaft die allerfnrchtbarste Gefahr von Kleinasien nnd Bnbhlvnien her; den» der Bvdeu dieser Läuder, deren zweites im Altertum bekanntlich durch die wunderbarste Frucht­barkeit berühmt war, könne doch unmöglich verloren sein, und gerade dahin würden jetzt von den bösen Großbanken Bahnen gebant. Um diesem Unfug ein Ende zu machen uud dem noch drohenden Unheil vorzubeugen, soll die Deutsche Reichsbank den Abfluß der deutschen Kapitalien ins Ausland hindern uud sie in die Äcker nnd Ställe der deutschen Landwirte leiten. Die Kritik der von Nnhlcmd vorgeschlagncn Bantrefvrm überlasse» wir den Baukgelehrten und beschränken uns auf eine Be­merkung. Wir siud jederzeit mit Vergnügen bereit, von allen Bank- und Börsen- menschen so schlecht wie möglich zu denken. Aber wenn wir hören, daß ihnen die Förderung des Getreidebaus auf bisher unkultivierten! Boden nnd die Erschließung frnchlbarer Länder als ihre ärgste Schandthat angerechnet wird, so müssen wir immer wieder in den Ruf ansbrechen: In was für einer wnnderlichen Welt leben wir doch, wo zuströmender Reichtum für das größte Unglück gehalten und ein mit der ehemals geprieseneu Goltesgabe großer Fruchtbarkeit begnadigter Erdenwintel gleich einem Pcstloch gefürchtet wird! Einen Satz, den Ruhlnnd seinen Ausfüh­rungen als Grundsatz vorausschickt, vermögen wir ohne alle Bankgelchrsamkeit um­zustoßen: ein auch nnr oberflächlicher Vergleich der Kulturvölker zeige:Wie die Höhe der Getreidcpreise direkt proportional ist der Höhe der kulturellen Entwick- l""g." Ein anch nur oberflächlicher Vergleich zeigt bekanntlich das Gegenteil. Die fortschreitende Kultur, womit hier doch jedenfalls die technische Kultur gemeint ist, kann ans die landwirtschaftlichen Erzcnguisse gerade so wie nuf die gewerblichen '"cht anders als verbilligend wirken. Was verteuernd wirkt, das ist nicht die '""schreitende Technik, sondern die fortschreitende Volkszahl bei gleichbleibender -twdeufläche. Der verteuernden Ursache hält die verbilligende, eben die sich ver­vollkommnende Technik, eine Zeit lang das Gleichgewicht, und kann sie das nicht ""hr, Wie in England zur Zeit der Aushebung der Gctreidezölle, so mnß eben durch fremde Einfuhr der erhungernden Bevölkerung das Leben wieder möglich gemacht werden. Und so wird es wohl auch in Zukunft bleiben. Daß die in den letzten Jahrzehnten bctricbne Art der Erschließung unkultivierter Länder ideal wäre, Wolleu auch wir nicht behaupten; die ältere Art, wo nicht Groszkapitalisten Riesen-