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Die Handelspolitik im Jahre
sehr guten Gründe hat. Was in der Presse gegen die Handelsvertragspolitik gesagt worden ist, charakterisiert sich in der Regel als einseitig und übertrieben in agitatorischer Absicht, oder lim später abhandeln lassen zu können. Die Begründung stellt sich dabei meist als ein Wust von ausgesprochenstein Doktrinarismus, Partcischlagw orten und Parteistatistik dar, wie das im Partei- und Jnteressenkampf erklärlich, auch wohl entschuldbar ist. Auch was aus den Interessentenkreisen für die Handelsvcrtragspolitik in der Presse vorgebracht wird, ist um kein Haar besser, und die Handelsverträge können in Bezug darauf sagen: Gott schütze uns vor unsern Freunden, Man thut wahrhastig am besten, diese Jnteressentcnweisheit vorläufig mit dem größten Skeptizismus zu behandeln oder vielmehr von sich zu weisen, bis die verschiedncn Regierungsstellen, die den zweifelhaften Genuß haben, sie verarbeiten zu müfsen, den Extrakt daraus in der Begründung des endgiltigen Tarifgesetzentwurfs veröffentlichen werden.
Neuerdings haben anch die gelehrten Nationalökonomen, die bernfs- und pflichtmäßig über den Sonderinteressen und Parteien stehn sollten, den Versuch gemacht, sich in der Frage Gehör zu verschaffen. So hat Professor Schmoller vor einigen Wochen dem Reichskanzler den ersten Band einer Sammlung von „Veitrügen zur neusten Handelspolitik Deutschlands" überreicht, die der Verein für Sozialpolitik hernusgiebt. In der Vorrede beruft sich Schmoller darauf, daß es in Deutschland noch genug Elemente in der Presse, in den Parlamenten und Regierungen gäbe, die nicht bloß die großen Jnteressenverbünde über die „Ziele der Handelspolitik" hören wollten, sondern annähmen, „daß diese zwar in vielen, besonders in allen Spezialfragen außerordentlich sachkundig, aber doch immer durch ihre Interessen befangen seien, und daß darum andre, auf nentralerm Standpunkte stehende Stimmen (!), die nach ihrem Lebensberufc der allgemeinen Sachkunde nicht entbehren, neben ihnen zn hören ganz pafseud sei." Wir haben in den Grenzboten schon einmal gesagt, daß das Anhören unsrer wissenschaftlichen Nativnalökonomen, nachdem das Neichsamt des Innern solche Massen von „Material" von den Interessenten „erfragt" habe, nicht nur ganz passend, sondern sehr nötig sei, und wir wollen hoffen, daß die „Gelehrten," die der genannte Verein als Mitarbeiter gewählt hat, nnd die Themata, die er ihnen stellt, dem Reichskanzler und dem Bundesrat bei ihrer verantwortlichen Entscheidimg über die „Ziele der Handelspolitik" mit wirklich gutem nnd überzeugendem Rat an die Hand gehn werden. In dem vorliegenden ersten Bande werden namentlich zwei für die Entscheidung der verbündeten Regierungen sehr wichtige Fragen behandelt, erstens die unter den inländischen Momenten bei weitem am schwersten in die Wagschale fallende Rücksicht auf die Landwirtschaft, über die Professor Cvnrad in Halle in einer Arbeit über die „Stellung der landwirtschaftlichen Zölle in den 1903 zu schließenden Handelsverträgen Deutschlands" schreibt, und zweitens die ins Gebiet der auswärtigen Politik schlagende Schmollersche Doktrin von dem „ganz neuen politisch-wirtschaftlichen System" oder der „Theorie von den drei Welt-