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Aus dem Llsaß
nützigkeit und Gemütlichkeit bewahren und als ein heiliges Gut auf unsre Kinder vererben wollen. Das ist unser Patriotismus!" Dieser Patriotismus kämpfte einen edeln, aber auf die Dauer aussichtslosen Kampf; allmählich sahen sich seine Vorkämpfer ans ein immer engeres Feld zusammengedrängt, und der alemannische Kern der Heimat, für den fie stritten, wäre von der überlegnen Macht des Frcmzosentums zerdrückt worden, wenn ihn nicht noch eben rechtzeitig genug der große Gang der Dinge wieder frei geinacht uud zu neuer, zukunftsreicher Entfaltung geweckt hätte. Aber das Bewußtsein seines Ursprungs und seiner Verwandtschaft ist der Mehrzahl verloren gegangen, und nur gering ist die Schar der Sänger, die rückhaltlos wie Licnhnrd und Christian Schmitt in der politischen Wiedervereinigung mit Deutschland zugleich uud vor allem die geistige uud damit den Anbrnch eines neuen Tags für ihr Heimatland feiern.
Der Dichtung, die die herrschende Anschauungsweise und Stimmung des heutigen Elsasses wiederspiegelt, ist der Patriotismus der Neuß, Hirtz und Stöber bisher noch fremd geblieben, und das Elsaß frent sich in ihr nur seines eignen Daseins. Aber er steht vor ihr als einer Aufgabe, zu der sie deu Weg aus sich selber finden muß und wird. Nichts wäre verkehrter, als unserm Volkstheater irgend welche nationalen Tendenzen aufdrängen oder es gar als ein polirisches Institut behandeln zu wollcu; es darf feine Harmlosigkeit nicht aufgeben, die es wenigstens auf der Bühne bisher so glücklich behauptet hat. Aber gerade indem es sich diese wahrt und sich in seiner Entwicklung nicht durch die Stimmung einer Minderheit im Publikum beeinflussen läßt, der elsässische Art durch eine Macht bedroht scheint, die sie doch erst wieder frei gemacht hat, wird es zu dieser Macht allmählich auch ciu unbefangnes inneres Verhältnis gewinnen. Unbefangen und darum auch für niemand aufdringlich und verletzend wirkt sie doch auch in Grebers Dramen, insofern sie Anschluß suchen an den allgemeinen Entwicklungsgang der modernen deutschen Litteratur. Diesen Anschluß und den Zusammenhang mit dem, was die Nation bewegt uud vorwärts dräugt, möge sich das elsässische Theater auch als Gesamtheit nicht ent- gehn lassen: nur er kann ihm die Nahrung zuführen, deren es zu seiner gedeihlichen Weiterbildung bedarf; fortdauernde Isoliertheit würde bald zur Verknöcherung und Verschrumpfung führen.
Handelte es sich nur lim eine der dilettantischen Vereinigungen, die eiuem glücklichen Zufall ihre Entstehung und ihren örtlich beschränkten Beifall verdanken, so wären längst zn viel Worte daran verschwendet; aber hier ist eine Erscheinung, die in der Entwicklung der elsüssischen Verhältnisse ihre volle Bedeutung und darum Anspruch auf die Aufmerksamkeit weiterer Kreise, auch jenseits des Rheins, erheben darf. Die Gründung dieses Volksthenters ist ein Ereignis in der Geschichte des elsässischen Geisteslebens, und es stellt eine Macht dar, an der man nicht achtlos vorübergehn soll. Das beweist schon die Masse von Besprechungen, die das Unternehmen durch große und kleine Blätter im verschiedenste» Sinne gefunden hat, vor allem aber die begeisterte Aufnahme, die ihm nicht bloß in Straßburg, sondern auch in einer Reihe