Thüringer Märchen
375
eines Weinstvcks Latten quer angenagelt, und einen Fuß weit unter der Dachrinne guckte eine Nebe zum Luftloch hinein. Das war reichlich so groß, daß eine alte Katze hindurch hätte kriechen können. Mvosfried hatte scharfe Augen und übersah das alles ganz pfiffig und kletterte, das Geigensäcklein auf dem Rücken, an der Wcmd hinauf, von einer Weinlatte znr andern bis zum Luftloch uud schlüpfte hinein und lauschte, ob da in der Bauernstube auch die Luft reiu sei. Der Mond schien in die Stube so schon hell, daß der Moosfried ganz deutlich scheu konnte, wie der „Hannnnchel" auf der Ruhebank lag. Und weil der kleine Fiedler glaubte, der „Hannnnchel" schlafe, setzte er sich solcher Art ins Luftloch, daß er die Beinchen in die Stube hineinbaumeln ließ, zog die Fiedel aus dem Sack und sing an, lustig aufzuspielen zu dem vermeintlichen Bauerntraum.
Aber der „Hannnnchel" schlief nicht, und noch viel weniger träumte er, obgleich er die Augen geschlossen hielt. Als nun das zarte, allerliebste Zwergen- liedleiu nnhub, sprang der „Hannnnchel" etwa nicht gleich auf. Demi ein Bauer erschrickt nicht gleich vor jeder Kleinigkeit, hat aber immer ein wenig Schlauheit vorrätig. Der „Hannnnchel" fing mit seinen Augen schlau an zu zwinkeru uud entdeckte auch bald den kleinen Musikanten im Luftloch. Der aber hatte davon keine Ahnung nnd glaubte immer, der Bauer schliefe, weil er sich uicht rührte uud regte. Und so spielte der Moosfried andächtig weiter.
Die beiden Kaineraden unter der Ofenbank, der Stiefelknecht nnd das Katzentröglein, hatten schon längst mit einander geflüstert von ihrem traurigen Dasein. Als nuu die alte liebe Musik ertönte, da ward es ihnen ganz fröhlich und tanzerig in ihrem Inwendigen. Und es dauerte gar nicht lange, so stieg die Lust iu ihneu zu einer solchen Höhe, daß sich der Stiefelknecht aufrichtete und sich vor dem Katzentröglein vornehm verueigte wie eiu Herr vor eiuer Dame, die er zum Tanz auffordert. Auch das Katzentröglein erhob sich und machte ein Knickslein, nnd der Stiefelknecht umfaßte es, und — heidi! — walzten sie mit einander in der Stnbe herum im Mondenschein, als feierten sie ihre Hochzeit.
Dieser Spaß war dem „Hannnnchel" doch zu toll — denn er sah alles nur zu deutlich —, svdaß er laut zu lachen anfing. Hopphopp! waren Stiefelknecht und Katzentröglein wieder unter der Ofenbank und rührten sich nicht und thaten, als wüßten sie von der ganzen Geschichte nichts.
Und Moosfried, der Spielmann, hatte schnell die Fiedel ins Säcklein gesteckt und war auf und davon, als der Bauer Johann Michael Sauermilch sich damisch erhob und sich bedächtig hinter dem Ohr kratzte. So etwas war ihm noch nicht vorgekommen nnd auch sonst Wohl niemand.
Aber an dem Zwergenbrünnlein steht heute noch keine neue Tcmzbuche wieder, obwohl Zeit genug vergangen ist, daß nunmehr eine größere dastehu könnte, als jene war, die der „Hannmichel" umgemacht hat. Heute stehn da nur Kiefern, uud die sind den Zwergen zu stachelig.
Gott weiß, wo sich dieses Spielmannsgeschlecht nun herumtreibt.
2. Der Ahorn
Es war einmal ein Büttner in dem Dorfe Eisenheim, den hießen sie den Baumschinder. Das dnrfte er aber nicht hören, weil er sonst iu Wut geriet. Den Namen Bartel ließ er sich gefallen, obgleich er nicht auf Bartholvmäus getauft war. Sondern sie nannten ihn so, weil er immer eine Barte mit sich trug. Das ist ein kleines Beil. Wenn er an einem Baum vorbeiging: Flitsch! hieb er damit von der Rinde einen Fetzen weg. Das konnte er gar nicht anders, und wenn ihm mich angst dabei wurde. Er war schon mchrinals deswegen von den Schöppen