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Thüringer Märchen
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Thüringer Märchen

von I. H. köffler

^. Die Tanzbuche

^as einmal der Bauer Johann Michael Sauermilch iu Kvnigsweiler erlebt hat, das mag wohl noch nicht oft passiert sein. Weil sein Erlebnis aber mit der Tanzbuche zusammenhängt, so muß erst gesagt werden, wie es um diesen Baum bestellt war, nnd woher er den lnstigen Namen hat.

Das Dorf, in dem der Bauer Johann Michael Sauermilch lebte, lag in einem langen Thal zerzettelt also, daß von einem Haus zum andern dem Thal entlang immer ein gnt Stücklein Wegs war, beinahe als wäre keinem Bauer was an einer Nachbarschaft gelegen gewesen, die ihm etwa in die Suppen­schüssel oder zum Bodeuloch hineinsehen könnte. Die Äcker und Wiesen hinter dem Hause nnd der Garten davor waren ein Ganzes, zu dem auch noch ein Stück Wald droben nm Berg gehörte. Und so saß jeder Bauer in seinein Hof und Eigentum wie ein kleiner König, und darum mag das Dorf auch Königsweiler geheißen haben.

Nun stand in dem Walde desHannmichel" so nannten sie den Baner Sauermilch eine schöne große Buche, die sein Stolz war. Sie stand über dem Berge drüben in einem Kessel, von dem ein Gründchen auslief hinab zu einem tiefen Waldgrunde. Nicht weit unterhalb der Buche war eiu Brünnlein, von dem aus ein munteres Wässerchen thalein hupfte. Das war das Zwergenbrünnlein.

Die große Bnche war der Tummelplatz der Zwerge nachts, wenn alles in der Welt schlief. Und das Zwerggeschlecht, das hier hauste, soll mit von Jubal, dem Erzgeiger und -Pfeifer, abstammen. Es waren nämlich alle Sprossen dieses Geschlechts Spielleute, ausgezeichnete Musikanten, die immer nur lustig aufspielten heisa hopsa!, weun andre Zwerggeschlechter Gold schürften, oder in ihren unterirdischen Werkstätten Spangen und Ringe und Königskronen schmiedeten. Ihre musikalischen Allotria trieben sie am tollsten um Mitternacht.

Jeder der Zwerge hatte eine niedliche Strickleiter, geflochten aus langen Haaren, die sie schlafenden Elfen heimlich abgeschnitten hatten, nnd am obern Ende war eine seidne Schnur mit einer goldnen Kngel, und am untern Ende waren zwei ebensolche Kugeln zum Ausspannen der Leiter. Wenn die Zeit der Tollheit kam, warf jeder die goldne Kugel an der seiduen Schnur über einen Ast der Buche, daß ihn die Kngel nmschlnng und die Leiter fest hing, woran er nun in die Krone der Buche emporstieg. So war bald das lustige Völkleiu oben und setzte sich zu­recht zum vergnügten Aufspielen, und da siedelte, schwirrte, flötete und klang es, daß alles ringsum zu hüpfen und hopsen, zu walzen und schleifen anfing, wies auf einein Kirchweihtanzboden nicht ausgelasseuer zugehn kann: alte Buchnußhülsen, Tannen- nnd Kiefernzapfen, Käfer, Nachtschmetterlinge, Fledermäuse, Enlen alles kam herbei und vergnügte sich unter der Tanzbuche nach dem Takt der Zwergen­musik. Und wenn es einer alten Schnecke einfiel, aus ihrem grauen Haus heraus-