296 Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Lrinnernngeit
das war auch vier oder sechs Wochen früher möglich. Andrerseits konnte eine solche Auffassung der militärischen Sachlage dnrch die „Humanitären" Einflüsse hochgestellter Damen nur bestärkt werden.
Daß die Gereiztheit, der Vismack Ausdruck gab, von der andern Seite einen starken Wiederhall fand, war natürlich, denn beide Teile glaubten im Rechte zu sein und pflichtgemäß zu handeln. „Die Schlachtenbummler räsonnieren, die das Kriegsleben ohne Verantwortung und Sachkenntnis mitmachen," schreibt der Kronprinz am 28. November. „Ich biete jedem, der mir davon >von der Beschleunigung der Beschießung^ redet, das Kommando an," und er that das wirklich in diesen Tagen gegenüber Bismarck, der am liebsten darauf geantwortet hätte oder auch wirklich geantwortet hat: „Ich bin bereit, es anzunehmen, für vierundzwanzig Stunden." ^) Auch Blumenthal will nicht hören auf „die Stimmen militärisch unwissender, hinterm grünen Tisch sitzender Leute im In- und Auslande," und selbst Moltke verwahrt sich gegen das Hineintragen „politischer Momente, die nur insoweit Berücksichtigung finden" können, als sie nicht etwas militärisch Unzulässiges oder Unmögliches beanspruchend) Die Behauptung, daß nichtmilitärische Rücksichten mit im Spiele seien, um die Beschießung zu verzögern, machte auf ihn keinen Eindruck. „Aus den Zeitungen und Zuschriften sehe ich, schreibt er am 18. Dezember, daß man in der Heimat glaubt, daß wir das feindliche Feuer bis jetzt nicht beantworten aus zarter Rücksicht auf Paris oder gar auf Verwendung hoher Persönlichkeiten. Das ist durchaus nicht der Fall; es geschieht, was zweckmäßig und ausführbar."
Endlich brachte Bismarcks Energie auch diese stockende Sache in Fluß. Nachdem persönliche Vorstellungen bei Blumenthal (28. November) und beim Kronprinzen natürlich keinen Erfolg gehabt hatten, reichte er beim König gegen Ende November einen Jmmediatbericht über die Frage ein, zu Noons größter Genugthuung. Daraufhin richtete der König, nachdem er sich schon drei Tage vorher von Hindersin und Kleist hatte Vortrag halten lassen und zu seinem „Erstaunen" erfahren hatte, daß der ursprüngliche Termin (Anfang Dezember) nicht eingehalten werden und der Angriff „nicht vor Ende Dezember, ja Anfang Januar" beginnen könne, am 28. November in fast scharfem Tone ein Schreiben an Moltke, in dessen Gedankengang man Bismarcks Denkschrift wird wiederfinden dürfen. Diese Verzögerung errege ihm „die allergrößten Bedenken, sowohl in militärischer als politischer Hinsicht." Deshalb fühle er sich „verpflichtet," die Frage der Beschleunigung des Angriffs auf die südlichen Forts des Entschiedensten in die Hand zu nehmen und den schleunigsten
-) Busch I, 440, 5M.
-) Moltke, Militärische Korrespondenz 447, Beilage zu Nr. 486 und Nr. 454. Briefe II, 179. Die Gereiztheit wuchs, als Bismarck seinen Willen endlich durchgesetzt hatte, Noon vom 25. Dezember, Denkwürdigkeiten IU>, 271.