Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen
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Valkcmfrage oder die Möglichkeit der Bildung eines Balkanbundes, sondern einen natürlichen, organisch gewachsenen Balkanstaat mit der Hauptstadt Konstantinopel.
Statt dessen blieb diese einzig natürliche Entwicklung auf halbem Wege stehen: zwar ist es Byzanz gelungen, sich die nichtgriechischen Elemente seines Reiches wenigstens in Religion und Kultur Unterthan zu machen; denn es ist eine offenkundige, wenn auch noch immer nicht genügend beachtete Thatsache, daß das ganze Volksleben der Balkanvölker in allen seinen Äußerungen, in Volkslied und Volkssage, in Gebräuchen und Aberglauben, in Sprichwörtern, Rätseln und Musik einen einheitlichen Charakter trägt, desgleichen in den Erscheinungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Sie alle gehören einem Kultur- milieu an, das man als „balkanisch" bezeichnen könnte, und das zuletzt auf griechisch-byzantinischen Ursprung zurückgeht. Doch wird diese geistige Verwandtschaft durch die Verschiedenheit der Sprachen verdeckt, uud der Unkundige vermutet dahinter natürlich auch einen Unterschied in der geistigen Physiognomie dieser Völker, deren Ausdruck die Sprache ist. Aber gerade an der Sprache, speziell der slawischen, erwies sich die Kolonisierungskraft von Byzanz als unzulänglich. So erklärt sich das merkwürdige geschichtliche Resultat: eine gleichförmige Kulturschicht auf einer in der Sprache und — wenigstens ursprünglich — auch ethnologisch vierfachen Grundlage, einer griechischen, albanesischen, rumänischen und südslawischen.
Es bleibt uns schließlich noch übrig, den Einfluß des Griechischen auf die orientalischen Sprachen, auf das Arabische uud Türkische, festzustellen. Die Berührung der Griechen mit dem Orient ist ja seit der hellenistischen, besonders seit der alexandrinischen Zeit sehr eng gewesen und wurde es noch mehr in der byzantinischen und türkischen Zeit. Am frühesten traten die Griechen, etwa seit dem siebenten Jahrhundert, mit den Arabern in Verkehr, und zwar infolge der arabischen Eroberung Ägyptens. Obwohl die Unterworfnen, behaupteten die Griechen den fremden Eroberern gegenüber immer noch eine genügend hohe Kulturstufe, um sie auch in der Sprache zu beeinflussen. Daher ist der Umfang des entlehnten Sprachgnts im Arabischen verhältnismäßig am größten unter den orientalischen Sprachen, deckt sich aber doch zum größten Teile mit dem des Türkischen, so z. B. in Ausdrücken des Seewesens, des Häuserbaus und der Pflanzenwelt, wo zum Teil dieselben Wörter vorkommen wie Leuchtturm, Schiffer, Fisch; Fundament, Dachziegel; Tisch, Bett; Bohne, Kohl. Während aber im Türkischen der griechische Spracheinfluß auf diese drei Gebiete beschränkt ist, erstreckt er sich im Arabischen auch auf Benennungen für Stoffe (Seide), Spezereien (Balsam, Salböl, Myrrhen), Metalle und Münzen (Silber, Phollis, Karat). Kostümstücke (Schuh, Gürtel, Riemen), Geräte (Keffel, Topfarten, Schale), d. h. merkwürdigerweise häufig auf solche Gegenstände, deren Bezeichnungen die Griechen später von den Türken entlehnten, ein deutlicher
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