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Angelsachsen und Deutsche in Südamerika
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T>ie kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen

Es liegt außerhalb des Nahmens dieser Betrachtungen, die Erziehungs­frage hier eingehender zu erörtern. Aber wenn sich schon in unsern Kolonien der Mangel an branchbaren jungen Männern fühlbar macht, die mit einer gründlichen Geistesbildung die nötige Willensstärke und sittliche Tüchtigkeit verbinden, so bedarf man solcher Persönlichkeiten in den Auswanderungsländern nicht minder und jedenfalls in weit größerer Anzahl, wo allerdings bei den günstigern klimatischen Verhältnissen und dem vorwiegenden Zusammenleben mit Menschen von europäischer Abstammung manche Gefahren weniger in Be­tracht kommen, dafür aber auch die Kulturaufgabe größer und verwickelter ist. Entschließt man sich endlich einmal zu einer großen, festumgrenzten Übersee­politik hinsichtlich der Auswanderungsländer, so tritt die Forderung einer bessern Vorbildung der künftigen Pioniere der kolonialen Arbeit im weitesten Sinne, wie sie den Aufgaben einer kolonisierenden und herrschenden Nasse ent­spricht, unabweisbar an die Nation heran.

Lannstatt Lrnst Kap ff

Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen

Von Karl Dieterich

iner der wesentlichsten Unterschiede in dem geistigen Leben antiker und moderner Völker ist der, daß man jene isoliert, diese aber nur vergleichend betrachten kann. Die antike griechische Kultur war auf ein kleines Stück Erde beschränkt, sie war ein Produkt ihres Bodens; und war dieser Boden auch von fremdem Samen befruchtet, die Früchte kamen hier zur ersten vollendeten Entfaltung. Anders im modernen Geistesleben: dieses gleicht einem Baume, auf dem die ver­schiedensten Fruchtarten vielfach aufeinandergepfropft wurden, fo, daß sie allmählich mit dem alten Stamme verwachsen sind. Und will man eine dieser Arten in ihrem Wesen und ihren Bestandteilen erkennen, so muß man die frühern auch kennen. So ist es in der Litteratur, und so in der Sprache. Die Entwicklung der deutschen Litteratur z. B. ist ohne die französische und die englische nicht zu verstehen. Die jüngern Völker können die ältern nicht ent­behren, am wenigsten in der Sprache, wo sich die Worte mit den Dingen so innig verbinden, daß mit diesen auch jene bei dem entlehnenden Volke Eingang finden. Mit den konkreten Errungenschaften der Kultur geht auch ein Stück aus dem geistigen Leben des gebenden Volkes mit, aus der Sprache; es ist der Stempel, der noch späten Geschlechtern das alte Eigentumsrecht verkündet.