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Aus den schwarzen Bergen. 2
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Aus den schwarzen Bergen

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Als Georg endlich für immer dem Klostersitze im Kesselthcile zu Cetinje Lebewohl sagte, vermachte er dem Metropoliten German die wenig beneidens­werte Herrschaft. 336 Jahre wurde dann das Land theokratisch regiert, von seinen kirchlichen Obern, dem Wladika (Erzbischof), der als echter Vertreter der 6oe1ö8ig. rnilitg-vs Schwert und Krummstab immer gleich gut zu führen wußte.. Wie Moses und Josua, wie Barak und der Sohn Jsais lehrten sie die Religion, präsidierten sie im Rat und fochten sie in der Schlacht. Die besten Rufer im Streite aber stammten aus der Familie der Njegusch, die 1687 zur Regierung kam, und deren Nachkommen noch heute das Land regieren. . . .

Sie wissen, fuhr der Doktor nach einer Pause fort, wie trennend bei nns im Orient die Religion wirkt. Nicht die Nationalitnt wie bei Ihnen, sondern der Glaube bindet und trennt die Menschen hier auf dem Balkan. Ich bin im Zweifel, ob das Wort Ihres großen Königs, einen jeden nach seiner Fayvn selig werden zu lassen, für den Westen richtig ist, für uns ist es jedenfalls falsch. Die christlichen Montenegriner hatten einst in einer edeln Gefühlsauf­wallung die mohammedanischen Renegaten unter Stephan, von denen ich Ihnen sprach, bei sich aufgenommen, und diese religiöse Minderheit sah sich zu einer politischen Haltung veranlaßt, wie sie die mittlere und neue Geschichte nur zu oft berichtet. Wie die Protestanten Deutschlands, noch unterdrückt, mit Türken und Franzosen konspirierten, wie die Hugenotten Frankreichs von deutschen protestantischen Fürsten Hilfstruppen warben, wie die Katholiken Schottlands die französische Soldateska in das eigne Vaterland riefen und die Mauren Spaniens dem glanbensverwandten Großherrn im Serail ihre Aufwartung machten, so ließen es sich auch die mohammedanischen Nachkommen Stephans beikommen, illoyale Beziehungen mit der Pforte zu unterhalten. So kam unser Land zu seiner Bartholomäusnacht.

Über Montenegro herrschte damals der erste aus der Makkabäersamilie der Njegusch, Danilo I. Petrowitsch. Er war bei der Einweihung einer Kirche im türkischen Grenzgebiete, trotz der Zusicherung freien Geleits, vom Pascha gefangen genommen, beschimpft, eingekerkert und nur gegen hohes Lvsegeld entlassen worden. Es war am Weihnachtsabend des Jahres 1702. Hell loderten in ganz Montenegro die Weihnachtsscheitc auf, die in Form eines Kreuzes gelegt und nach Vütersitte mit weißem Weizen bestreut und rotem Weine begossen waren. Überall erscholl die Gusla im Lande, und von des Sängers Leier erklang der Ruhm des serbischen Nationalhelden Milosch Obilitsch, wie der schlechte Wut Bmntowitsch ihn am Vorabend der Schlacht beim Kaiser Lazar verleumdet, daß er mit den Türken im Bunde stünde, wie dann der gekränkte Held znr Herstellung seiner Ehre in das türkische Lager geschlichen nnd den Sultan Murad in seinem Zelte erstochen hätte, von den Wachen aber »ach vollbrachter That in Stücke gehanen wäre, und wie dann gerade sein