728
Der goldne Engel
und Schuppen, Werkstätten und Böden, von Lauben, Schaukeln, Kindheitserinnc- rnngen und Gespeustergraucn war verbrannt: Asche und Ranch war der Rest.
Die Menschen, deneu das Feuer die Wohnstätten geraubt hatte, suchten sich eine Unterkunft uud fingen mit unverwüstlichem Mute au, sich die Zukunft zurccht zu legen. Nur denen aus der Schmiede wollten die Gedanken nicht vorwärts, sie blieben bei dem Totenbett stehn.
Aber das Leben läßt keinen still stehn und sich besinnen, es ruft und treibt weiter. Karl Städel gönnte es am wenigsten Nnhe, das Feuer trieb ihn aus seinem stillen Winkel ins helle Leben hinaus. Und er wehrte sich nicht mehr. Seit anch die Schwester dem unersättlichen Luftschiff zum Opfer gefallen war, meinte er, es stehe schon wieder dn, nach neuem greifend; aber nun war es übergenug, Weib und Kind durfte es nicht auch noch packen. Das Graueu brachte ihn zum Entschluß. Ohue Zögern verkaufte er das Wrack und die Berechnungen, die sich unter den geretteten Entwürfen fanden, beschämt strich er die Versicherung für die verbrannte Sammlnng seines Vaters ein und bezahlte damit Ackermnuu den Rest der Schuld; eilfertig verschrieb er sich Meister Wcndelin, der mit beiden Händen Zugriff.
' , Drauf sah er sich im Leben um und erschrak vor den leuchtenden Farben, in die sich seine Zukunftshoffnungen kleiden wollten — uud duckte sich wieder.
Noch wußte er sich nicht zu bewegen in dem Gefühl uneingestandner Erleichterung, noch fühlte er die Stellen, wo ihm die abgefallnen Ketten an den Armen gesessen hatten. Als er aber die drei Hände Erde ans Linens Sarg fallen ließ, wußte er, daß das Fener ihm eine Last von Schultern nnd Herzen genommen hatte, der er uicht gewachsen gewesen war, und seiner ruhigen Dankbarkeit schien es, als habe die Schwestertreuc alle Schatten seines Lebens mit hinunter genommen, uud seine Sonne schickte sich eben zum nufgehn au für einen klaren, goldnen Tag.
Ackermann deckten die rollendeil Schollen Licht und Freude zu; so lange sie neben ihm stand, fühlte Nett den Verlust der Schwägerin mit seinem Herzen, und als er sich endlich vom Grabe wegfand, blieb sie an seiner Seite und ging mit ihm durch Gassen und Gäßchen, bis er in den alten Hof hineintrat und dort tiefaufatmend stehn blieb.
Da standen sie neben einander und sahen sich um: schwarz war die Stadtmauer, schwarz das leergebrannte Geviert, hie und da stieg noch eine kurze Rauchwolke aus dem Schutt auf, und eine Feuerwache stand dort, wo ein Menschenleben lang der verbrannte Holzengel auf die Luftschifferwerkstatt herabgelächelt hatte.
Nett sah unverwandt auf den Platz, der noch vor wenigen Tagen den ganzen Inhalt ihres Lebens umschloß; hier fühlte sie am innigsten, daß Line allzeit an ihrem Glück gehalten und gestützt hatte, aber siegreich über aller Betrübnis blieb das Bewußtsein: Mir hat die Flamme goldne Früchte gereift. Und als Ackermann inmitten seiner Brandstätte wehmütig sagte: Ja, Frau Nett, aufbauen werden wir das schon, aber was tot ist, wird nicht wieder lebendig; da dachte Nett ebenso sehr an das Modell wie nn die Schwägerin.
Das vor allem war tot und würde uie wieder lebendig werden. Seit Karl sein Bübchen aus dem brennenden Hause getrageu hatte, hielt es den Vater ganz fest mit kleinen, lebendigen Händen.
Als Nett hinüber zu ihnen kam, saß ihm das Kind schon wieder auf dem Knie; nun sprang er auf und umschloß mit dem freien Arm auch sein Weib.
Arme Line! sagte er dabei. An sich selbst dachte sie immer zuletzt.
Aber warum sie das gehaßte Modell hatte retten »vollen, das begriff er doch uicht so recht. Der Feuerschreck mußte sie rein verwirrt haben.