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Der goldne Engel : Erzählung :
(Schluß)
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Der goldne Engel

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ganze Angustwcische der Schmiede steckte im Wnsser, und um dieses wichtigen Falles willen waren die Frauenzimmer schon lange vor Morgengrauen bei der Hand.

Line stauchte und rang, redete sich ins Gewissen nnd lauschte von Zeit zu Zeit hinauf, wo das Bübchen schlief.

Nuu oben, Wand an Wand mit dem Jungen, stand ja der Vater an der Arbeit, aber daß der Vater eiuen Ruf seines Kindes hören würde, das bezweifelte Line, die die Stadels gar so genau kannte. Besser schon, sie gab selber acht.

Also neigte sie von Zeit zn Zeit den Kopf gegen das Waschhausfenster, oder lief einmal hinaus, die Hvlztreppe halb hinauf nach dem Gange. Da sah sie das helle Viereck des Werkstattfensters leuchten wie zn Vaters Zeiten und dahinter den Bruder am Glaskasten hantieren.

Das Kind schlief seinen gesegneten Schlaf, und Line lief wieder hinunter und rang die Wäsche, die Nett nachher hinaus nach dem Anger holen wollte.

Heute sag ichs Ackermann, heute gewiß, ich bin es ihm schuldig. Stück um Stück rang sie aus der Waune und warfs in den Korb.

Ein böser Notbehelf ists, so wie es jetzt ist. Der Korb war voll, die Wanne war leer, Line trat an die zweite.

Mit mir kann keiner mehr Freude habeu, ich kaun das Freuen nicht mehr, nicht mal das Bübchen macht mir das Herz so recht warm.

Als sie an das Bübchen dachte, hob sie lauschend den Kopf, und wie sie dabei die Nase gegen die Thür richtete, kam ihr ein häßlicher Dnnst znm Be­wußtsein.

Wir haben widrigen Wind, dachte sie, der Qualm vom Bäcker drüben schlägt in deu Hof.

Aber der Wind kam nicht vom Bäcker. Über das hohe Dach des goldnen Engels strich er herüber, und der Qualm drängte sich durch Läden nnd Sparren dieses Dachs und suchte sich eiuen Ausweg nach dem Seitengebäude, wo die guten Gaben des Sommers nützlicher Verwendung entgegen trockneten.

Seltsam, dachte Line, so arg war das doch noch nie? Sie stauchte das Hemd ius Wasser zurück und trat auf den Hof.

Der schwache Dämmerungsschein über des Bäckers Hans war ungetrübt, nicht das kleinste Ranchwölkcheu lag auf der Esse. Line wandte den Kopf.

Da! Da wars! Ein, zwei brandrote Angen stierten vom Drogenspeicher zn ihr herab, jetzt schon das dritte, und unter dem festen Schieferdach der alten Apo­theke hatte das Unwesen anch einen Ausweg gefunden, dick und braun qnvll es empor, von aufstvßenden, znrnckzuckeudeu Flammenzungen erhellt: der gvldne Engel streckte feurige Arme aus, uni Ackermanns Schmiede zn erwürgen.

Einen Augenblick lang erstarrte Line im ersten jähen Schrecken, dann rief sie: Fener.

Aber die Stimme klang heiser und hilflos dünn, trotz der Morgenstille ringsnm.

Feuer! rief sie noch einmal, rannte die Treppe hinauf uud schlug au des Bruders Fenster, rannte an Ackermanns Schlafzimmer uud donnerte gegen die Laden, riß Professor Kilbnrgs Klingel entzwei, lief zur Wäsche zurück, stopfte sie in die Körbe uud trug sie hinaus ins Freie.

Ackermann und seine Jungen waren schnell wach nnd bei Sinnen, im Nu war Leben auf dem Hof an der Stadtmauer. Aber da war er auch schon taghell von der prasselnden Lohe erleuchtet, die mit einer großen Stichflamme Besitz von dem Kräuterboden ergriffen hatte.