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Andreas Oppermann : Erinnerungsblätter :
(Schluß)
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Andreas Gpperinann

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seinen Kindern eine gesicherte Znknnft schuf, konnte er nie geringschätzig ansehen; aber daß er in Stunden des Unmuts gelegentlich einmal über den Kleinkram und die öden Geschäfte wetterte, war ihm auch nicht zu verargen.

Die Kuust in jeder Gestalt blieb ihm immer gleich teuer, und in seinem .Kunst­urteil sprachen wohl wie bei nlleu etwas isolierten Menschen Jugeudeindrücke nnd frühe Gewöhnungen ein wenig mit. Aber seine Aufnahmefähigkeit erschien doch als eine selten mächtige. Unüberwindlich blieb ihm, dein energischen Realisten, die rohe Frechheit und noch unüberwindlicher die zu größerer Glorie des Protzentums in Szene gesetzte Elendskunst. Er schäumte geradezu nicht über Hauptmanns Weber," aber über das Publikum, das sie im Berliner Deutscheu Theater be- jauchzte. Die geistige Öde des bloßen Könnens bei einer Anzahl von Halb- und Viertelstalenten erschreckte ihn schou lauge vor dem Beginn der modernen Bewegung. Ende 1869 hieß es iu einem seiner Briefe:In München habe ich wenig Genuß gefunden. Das Nest hatte sein schlechtestes Kleid uud ist dann fürchterlich, und die Ausstellung (Kunstausstellung) war sehr ermüdend, aber desto weniger erquicklich, eiu babylonischer Turmban von allem möglichen Können, ich bin förmlich geflohen, um wieder fortzukommen." Ihm schwebte damals noch immer die große historische Kunstausstellung von 13S8 vor, wo er in Fr. Prellers (des Vaters) Odyssccland- schaften, in SchwindsSieben Raben" nnd Nethels Hannibalzug förmlich ge­schwelgt hatte.

Völlig beglückende Kunsteindrücke brachte er Von zwei Reisen nach Belgien nud Holland heim, er wnrde nicht müde, stuudeulaug davon zu erzählen uud seine Hörer bei der Gelegenheit zu überzeugen, daß ihm die glänzende Gabe mündlicher Erzählung und Schilderung, die vordem seine Kommilitonen und jüngern Küustler- freuude entzückt hatte, auch für spätere Tage treu geblieben war. Die Kuustein- drücke, die Oppcrmaun in spätern Lebensjahren zu teil wurden, erschienen, im Ver­gleich mit der Regelmäßigkeit der frühern, mehr sporadisch. Dann überraschte doch wieder die Entdeckung, nicht nur wie gut er gesehen, sondern auch was er alles gesehen hatte. Er war eben blitzschnell einmal in Dresden, Berlin und München, er verstand es, ein Paar Stunden, die ihm zwischen zwei Geschäften oder Amts­pflichten blieben, rasch für sein nie rastendes Bedürfnis nach geistigen Anregungen zu benutzen. So war und blieb er denn auch eiu unermüdlicher Leser. Durch die lange Reihe seiner Briefe nn mich, nnd ich mutmaße anch an andre, ziehen sich motivierte Urteile und gelegentliche Bemerkungen hindurch, die von seinem immer regen Interesse für die neuere uud neuste Litteratur zeugen. Freilich die schlechte Modernität, die uur am Neusteil Anteil nimmt, war einem Menschen wie ihm fremd. Er griff bei jedem Anlaß znm längst Vorhandnen zurück, ein Aufsatz über Hölderlin, den ich ihm sandte, regte ihn an, sich einmal wieder tief in die elegische Hoheit von Hölderlins Lyrik hineinzulesen.

Wurde er vou der dünkelhaften Willkür fremder Urteile gereizt, so konnte er eine natürliche Neigung zu Paradoxen nie völlig besiegen. Wenn die jüngsten Stürmer uud Dräuger die Jugenddichtungen Goethes zum Spiegel ihres Selbst mißbrauchte», uahm er wohl die Miene an, sich am Werther und dem Urfanst nicht mehr entzücken zu können und erklärte trotzig, der alte Goethe komme gleich nach der Bibel und stehe hoch über dem juugeu. Wenn ihm leblose uud manierierte Dichtungen durch Anlvritntsurteile aufgedrängt werden sollten, so bemerkte er nur, daß sichdie dijfizilsten Burscheu, die sich allem Bedeutenden gegenüber, das in unsrer Zeit geschaffen wird, abweisend verhalten, sehr oft durch die gespreizteste