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Andreas Gppermann
ineist nur nuf einige Tage beschränkt blieben, durch einen ziemlich regelmäßigen Briefwechsel, durch mancherlei gemeinsame Beziehungen über die Jahre und Jahrzehute frisch erhalteu. Seine Briefe wären im größern Umfang mitteileuswert, sie würden nicht minder als seine veröffentlichten Aufsätze für die Freiheit, den unbestechlichen Gradsinn seines Urteils, aber auch für die warme Empfindung zeugen, die er für ernstes Ringen nn den Tag legte. Die tiefe warme Teilnahme für mich persönlich nnd für mein Streben blieb sich durch die Jahre und Jahrzehnte immer gleich. Von dem Briefe, den er mir am 13. Dezember 1363, nach Friedrich Hcbbels Tode, schrieb: „Die betrübende Nachricht von Hebbels Tode hat mich sehr bewegt, und ich fühle mich gedrungen, dir wenigstens mit wenigen Worten zu sagen, daß sie mich zunächst auch um deinetwillen tief geschmerzt hat. Du hast manche Hoffnung für Gestaltung deiner Zukunft an den edeln und großen Mann geknüpft, dies ist verschwunden. Und doch sein Vermächtnis lebt. Laß dich nicht zn sehr bewegen. Laß, wenn der Schmerz seinen heftigsten Stachel verloren hat, sein Beispiel dir eine kräftige Mahnung sein, ans eignen Füßen und mit den eignen Kräften nach den höchsten Zielen zu streben. — Sein Vermächtnis an dich ist sein Vertrauen, das er in dich gesetzt hat!" bis zu den letzten Zeilen, die ich acht Tage vor seinem Tode von ihm empfing: „Zwischen uns, liebster Freund, steht nichts und wird auch nichts stehen, außer meinem Alter und das mich wnrmende Gefühl, daß du immer und immer wieder nnr als tüchtiger Geschichtschreiber und als Dichter schöpferischer, schöner Gebilde nur in zweiter Linie aufgeführt wirst. Das ärgert mich uud macht mich verdrossen, ach! wäre ich zwanzig Jahre jünger, wie wollte ich diesen Ärger zerfetzen!" äußerte sich seine Teilnahme hundertfältig, oft scharf kritisch, oft lebhaft anerkennend, immer fördernd, warm nnd eranicklich, immer empfänglich und doch immer fordernd und anspornend. Seine Briefe über alles, was ich gethan und versucht, darf ich uicht hier anführen, aber ans den Gewinn so innerlicher und nie wankender Teilnahme wohl ein wenig stolz sein. Der einzige Mangel, der ihn in Zittan drückte, war das Fehlen von einem oder zwei Menschen, an deren geistigem Gedeihen er Anteil nehmen und gleichsam persönlich eine Entwicklung erleben konnte. „Wollte mir der Himmel unter den Herren Oberlehrern doch einen latenten Lhriker ('s müßte aber ein wirklicher sein!), den ich fördern könnte, oder noch lieber eine» von den tausend kleinen Landschaftsmalern schicken, die das Auge haben, was Gescheites zu sehen, wenu ihnen nur einer den Star stäche! Ich glaube, ich käme noch auf meinen alten Plan, einer Geschichte der Landschaftsmaler« zurück, der längst versungen und verthan ist, zurück, weun ich einen Maler hätte!" Jedem Menschen seiner Umgebung, bei dem er einen Hauch geistigen Lebens spürte, kam er „frisch und aufgeknöpft," wie er sagte, entgegen. Einige Jahre hindurch wurde ihm das Glück zn teil, daß sein Neffe, der Theolog Georg Rictschel, der gegenwärtige Leipziger Professor, als Oberpfarrer in Zittan lebte; er that sich im Familienverkehr wie im ernsten geistigen Austausch mit diesem weidlich genug — Rietschels baldiger Wegzug nach Wittenberg war für ihu ciu harter Schlag. Obschon Oppermaun gar nicht danach angethan war je einzurosten, seine große und immer bedeutendere Praxis als Rechtsanwalt ihn an sich zn zahlreichen Reisen nötigte, er darüber hinaus in jedem Jahre ein größeres Stück Welt sah und nach seiner Weise genoß, so blieb ihm die Entbehrung eines täglichen Verkehrs, wie er ihn in jnngen Jahren gehabt hatte, immer empfindlich. Der Mann der Klagen über unabänderliche Dinge war er «nn freilich nicht, uud eine Thätigkeit, die ihm unabhängiges Behagen und