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Der goldne Lngel
Mut zusammen und trat cmf den Gang hinaus, um so oder so ein schnelles Ende zu machen.
Noch war tiefe Stille in Haus und Hof, wie er aber das Gcmgtreppchen hinunterstieg, sah er Nett an der Laube stehn: sie begoß ihre Bohnensaat.
Als sie seiner ansichtig wurde, setzte sie die Gießkanne zn Boden und ging ihm zwei Schritte entgegen.
Ich wollt es schon immer sagen, Herr Städel, nur daß ich Sie nicht zn sehen bekam: der Blumentopf steht Ihnen oben im Wege. Geben Sie ihn mir getrost wieder, Sie kränken mich nicht damit.
Trotz alles tapfern Willens, es nicht zu zeigen, sah sie dabei doch aus, als sei ihr weh gethan worden, und Karl wars, als löge er wieder todmüde nach der durchwachten Nacht auf seinem Bett und höre das Tambvurliedcheu, und höre es mit einem Klagerufe abbrechen. Das gab ihm mit einem Schlag guten Mnt.
Nein, sagte er, die Blnmen kann ich nicht wieder hergeben, Nett. Sie haben mich unn an Blume» gewöhnt. Ich wollte mir lieber noch eiue Blume erbitten, Nett, fürs gauze Leben — verstehst du mich, Nett? Annette Flörke und Karl Städel auf einem Stein. Willst dn, Nett? Wagst dns mit mir, Nett?
Sie antwortete nicht, sie sah ihn mir an, mit einem stillen, frohen Blick, der immer leuchtender wurde. Dabei dachte sie: Daß er fragt! Daß er noch fragt, daß ers nicht lange weiß, daß er mich nicht einfach nimmt wie sein Eigentum, dns nur nus Verseheu bis jetzt auf eiuem falschen Platz gestanden hat!
Er aber war noch immer zaghaft, nnd keins wußte nachher, wer das andre zuerst ans Herz genommen hatte. Als Mutter Flörke aus dem Wnschhnus trnt, hielten sie sich umfaßt und ließen sich durch das Schelten der klugen Frau nicht von einander treiben.
Freilich gabs nachher noch einen langen Kampf drinnen im Stnbchcn.
Ihre Tochter diesen Ausbund — dem Habenichts, dem Alschemüsten, der geradewegs auf die Verrücktheit seines Vaters losmarschierte? Nicht um die Welt!
Da ihr aber keiner die Welt anbot, nnd Nett auf ihre ruhige Art immer von ueuem sagte: Ich weise jeden andern ab, Mntter, wie ich den Erbvetter abgewiesen habe, so gab sich Frau Flörke am Ende doch zufrieden, Die übrigen Bewohner der Schmiede fanden diese Verlobung „ganz gerade das Rechte."
Line nur, Line war nicht so froh, wie Karl gehofft, Ackermann gewünscht und Frau Flörke vorausgesetzt hatte.
Ich glaube, sagte die Brautmutter zur Nachbarin Grunert, die Line kommt sachte in die Jahre, wo eine sich über jede Verlobung ärgert, weils nicht ihre eigne ist. Ja warum nimmt sie den Ackermann nicht? Mir scheint doch, sie könnte ihn kriegen.
Line hatte andre Sorgen, obgleich durch diese Hochzeit ihre eigne wieder mn ein halbes Jahr weiter hinnusgeschoben wurde. Der Glaskasten in der Ecke ließ ihr keine Rnhe, sie sah ihn im Geiste wieder vorrücken, sie sah das Gespenst nnfs neue Macht gewinnen nnd litt in dieser Voraussicht all die Pein, die eiue künftige Wirklichkeit ihr nur irgend bereiten konnte. Wie Dvrngestrüpp wucherten Sorge nnd Verstimmnng ans nnd überwnchsen die Liebe zn Bruder nnd Schwägerin, svdaß diese Liebe manchmal gar nicht mehr da zu sein schien.
Dabei schaffte Line eifrig für den künftigen Haushalt und richtete ihn ein, wie es ihr recht und vernünftig schien — ganz eigenwillige Thatkraft: die zwei Menschen sollten endlich einmal glücklich werden, iin Notfall mußte man sie dazn zwingen.