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Der goldne Engel : Erzählung :
(Fortsetzung)
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Der goldne Lngel

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Bohnenlaube, oder beim traulichen Lampenschein, in Feierabendgeplaudcr oder in gciueiusamem Fleiß, gleich darauf schob sich die Hexenküche mit allen ihren Maschinen nnd ihrem Staub über das Bildchen, vder ein mächtiges Luftschiff schwebte ver­düsternd über Lampenlicht nnd Sonnenschein.

Und endlich begriff er mit hellen, wachen Gedanke», daß der goldne Engel Mntter und Schwester und ihn unglücklich gemacht hatte, uud daß er Nett nicht in dieselbe Gefahr bringen durfte.

Entweder oder.

Wenn sich die beiden im Leben nur so leicht geschieden hätten, wie in der Sprache.

Entweder oder.

Karl Stadel ging zn seiner Handpresse zurück und begann zu drucken. Blatt nm Blatt empfahlen sich die Verlobten den guten Wünschen ihrer Freunde. Karl sah nicht mehr seiueu eignen und Netts Namen auf deu Blättern, er war schon diel weiter: sie stand als sein Weib mitten in seinem Leben nnd wehrte sich gegen den Schatten, der Linens kräftigen Händen allezeit zu mächtig gewesen war, arme Nett. Nicht doch, er wollte ihr ja in diesem Kampfe helfen, er wollte ja die Schatten verscheuchen, ehe er sie sich herauf holte. Damit strich er freilich des Vaters ganzes Leben aus und that vielleicht noch überdem ein Unrecht an der Menschheit.

Die Menschheit? Wenn die ihm nnr etwas weniges mehr als ein leeres Wort gewesen wäre! Keinen Hanch schneller schlug sein Pnls, wenn er an die Menschheit dachte.

Und sie kümmerte sich auch nicht im geringsten mehr nm die Stadels und ihren goldneu Engel. Der Zeitnngsliirm, der anfangs mächtige Wellen ob dem Aufstieg und den Fähigkeiten des Senkenberger Luftschiffs geschlagen hatte, war längst abgeebbt, neue Versuche bewegten das Wasser vielleicht fand inzwischen ein andrer, ohne Städels Hilfe, was Städels Namen bis znm Himmel tragen sollte.

Plötzlich ließ Karl die Arbeit stehn und eilte an den Schreibtisch. Dort schrieb er kurzweg an den Offizier, der deu Aufstieg gesehen hatte, bekannte in schlichten Worten sein Unvermögen nnd erbat die Hilfe der Sachverständigen.

Ans den Umschlag dieses Briefs schrieb er seinen Namen, dann siegelte er ihn, trng ihn selbst ans die Post, ließ ihn einschreiben und kam zurück mit dem Gefühl, "ls sei er nun eigentlich schon ein freier Mann.

Zu Hause stellte er die Blumen wieder in sein Arbeitsfenster, Nett aber ver­mied er. Die Antwort des Offiziers wollte er erst noch abwarten, die Antwort wollte er ihr gleich mit in die Hand drücken, wenn er sie bat: Komm herauf zu mir, damit ich meine Blume immer vor Augen habe.

Zwei Tage darauf kam sein Brief als unbestellbar zurück, zugleich erhielt er in einem kurzen Schreiben aus Tempelhof die Nachricht, besagter Herr sei nicht mehr bei der Luftschifferabteiluug, sondern in China. Falls der Brief uicht ihm persönlich, vielmehr der Sache des lenkbaren Luftschiffs gelte, stelle man dem Schreiber nnheim, ihn an die Abteilung selbst zurückzuschicken.

Karl wog seinen heimkehrenden Brief zweifelnd in der Hand nnd ließ ihn dann auf den Tisch fallen.

Also nichts. Eine unpersönliche Abteilung würde sich nicht um seinen gvldnen Engel kümmern; ihr war seiu Engel nnr ein Versuch mehr iu der Fülle der Ver­suche. Weg damit! Er nahm deu Brief wieder auf nnd zerriß ihn in kleine Stücke, dann trat er au das Modell.

Grenzbotcn I Z8W 7«